Humorkritik | Februar 2019

Februar 2019

Ich halte es ohnehin mit einem Spruch, den ich vor langer Zeit gehört habe: Werde die Person, mit der du gern zusammen wärst. Wenn du gern mit jemandem verheiratet wärst, der einen guten Humor hat – entwickle selbst diesen Humor.
Gloria Allred

Serienpicken

Sich in der ermüdend riesigen Netflix-Prime-HBO-usw.-Serienwelt noch zurechtzufinden habe ich längst aufgegeben – weswegen ich mir einfach mal drei (nicht unwesentlich) komisch gemeinte Produktionen herauspicke, die mir meine Algorithmen teils erst spät zugespielt haben; zwei gute und eine schlechte.

»Final Space« (Netflix) ist ein schon seit Februar des Vorjahres verfügbarer, vom Late-Night-Veteranen Conan O’Brien mitproduzierter überdrehter Sci-Fi-Comic. Erzählt wird die Geschichte eines Strafgefangenen namens Gary, der, allein mit künstlichen Intelligenzen, fünf Jahre in einem Raumschiff absitzen muss, einem niedlichen Planetenzerstörertierchen begegnet, mit ihm kuschelt und in der Folge die Erde, Entschuldigung: das Universum (»klingt besser!«) retten muss. Dabei trifft er auf einen Imperator, Kopfgeldjäger, gleich doppelt auf seine Angebetete, einen Riss im Weltraum, Titanen, seinen toten Vater und einiges mehr. Trotz der Rasanz und des Anspielungsreichtums verzichtet »Final Space« auf das übliche Pointendauerfeuer aller Simpsons-Epigonen und das beim lose artverwandten, so populär hassgeliebten »Rick and Morty« ins Unendliche getriebene Metaebenenspiel. Vielmehr ist es die Besessenheit, mit der hier nahezu unironisch, fast stolz ein Kolportage-Feuerwerk abgebrannt wird, die mich nach zwei Folgen einnahm. Die zweite Staffel folgt in diesem Jahr.

Auch fortgesetzt wird zu meiner Freude »Lodge 49« (Amazon Prime), eine erstaunlich schlüssige Mixtur aus Genreelementen, die eigentlich gar nicht zueinander passen: ein wenig kalifornisch-sonnige Komödie, eine gute Portion Sozial- und Familiendrama, eine Prise Mystery und zuweilen harscher Slapstick. Alles ist so geschickt und subtil verwoben, dass man nicht nur nicht verwirrt ist, sondern sich zu keinem Zeitpunkt darin gesteuert vorkommt, was nun komisch, was traurig ist bzw. sein soll; fast wie im echten Leben.

Rasch tot war dagegen mein Wohlwollen für »Norsemen«, das mit der bereits dritten Staffel ebenfalls 2019 fortgesetzt wird. Interessiert hatte mich die norwegische Wikinger-Comedy, weil sie aus einem Land stammt, dessen Komikkultur mir bisher unbekannt war; und weil der Ansatz, Wikinger mit den Neurosen gegenwärtiger Menschen auszustatten, durchaus komikträchtig daherkommt. Jedoch endet der Spaß recht bald, weil offensichtlich wird, dass die rohe Gewalt und die alberne Archaik der Rituale nicht ausgespielt wird, um, wie beim zu vermutenden Vorbild Monty Python, Autoritäten stürzen zu sehen, sondern um affirmierend v.a. verweichlichte Männer zu erniedrigen. Und das auch noch ohne Finesse: Wenn ein alter Sklave sich über die Genesung seiner Augen freut und ein Wikinger unweit davon Bogenschießen übt, dauert es noch quälend lange, bis die Pfeile »versehentlich« dort landen, wo es eh jeder erwartet. Ich hoffe doch sehr, dass Norwegen noch über anderen Witz verfügt als solchen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg