Humorkritik | August 2019
August 2019
Wir spielten in Dachzimmern Klavier mit Fingern, Fäusten und Armen und unterhielten uns prächtig. Die Stunden verflogen. In einer Pause hörten wir plötzlich die Kirchenglocken läuten. Es klang wie ein Witz.
Matthias Egersdörfer, »Vorstadtprinz«

Gute Omen von gestern
Die Serie »Good Omens« fiel mir auf, weil die Meldung herumgeisterte, dass christliche Fundamentalisten ihretwegen eine Petition gegen Netflix gestartet hätten – obwohl die Terry-Pratchett-Verfilmung bei Amazon gestreamt wird. Dieser verwirrte Protest passt ganz gut. Das vom Co-Autor des gleichnamigen Romans von 1990, Neil Gaiman, für den Bildschirm adaptierte Werk ist hervorragend besetzt, beeindruckend gefilmt, steckt voll launiger und cleverer historischer Anspielungen – und ist doch aus der Zeit gefallen. Die Geschichte von einem Erzengel und einem Dämon, die gegen den Wunsch ihrer jeweiligen Fraktion gemeinsame Sache machen, um die Apokalypse und damit den alles entscheidenden Krieg zwischen Himmel und Hölle herbeizuführen, ist deutlich satirischer und weniger groteskhumorig als anderer Pratchett-Stoff. Dass sie christliche Gegnerschaft hervorruft, scheint eher ins vergangene Jahrtausend zu gehören. Da ist es nur konsequent, dass die Jetztzeit der Serie nur wenig nach Jetzt aussieht: Ein paar Klimawandelanspielungen täuschen Aktualität vor, der Rest lebt ganz im Übergang von den Achtzigern zu den Neunzigern; selbst der himmlisch-höllische Grundkonflikt ist erkennbar dem Lebensgefühl des Kalten Krieges mit zwei opponierenden Weltmächten entlehnt (z.B. treffen sich Erzengel und Dämon konspirativ gerne in London, wie das auch Spione tun). »Good Omens« taugt vor allem als nostalgischer Spaß für alle, die sich in eine Zeit begeben möchten, als der Weltuntergang noch der potentielle atomare Konflikt war, den man durch geschickte Diplomatie verhindern konnte – und nicht das wahrscheinlich unaufhaltsame klimatisch katastrophale Ergebnis des kapitalistischen Experiments.