Humorkritik | August 2019
August 2019
Wir spielten in Dachzimmern Klavier mit Fingern, Fäusten und Armen und unterhielten uns prächtig. Die Stunden verflogen. In einer Pause hörten wir plötzlich die Kirchenglocken läuten. Es klang wie ein Witz.
Matthias Egersdörfer, »Vorstadtprinz«
Doppelleben
»Doubles vies« ist der Originaltitel eines Films von Olivier Assayas, der in Deutschland unter dem Titel »Zwischen den Zeilen« zu sehen war. Eine französische Komödie, doch keine im Stil von »Monsieur Claude« oder »Der Vorname«. Nein, ich habe mich eher an Filme von Eric Rohmer erinnert – das heißt: es wird zwar viel geredet, aber es gibt eher wenig zu lachen.
Die Figuren kommen aus vertrauten Kreisen: Verleger, Autoren, Schauspieler und deren Trabanten. Das Thema, um das es in fast all ihren Dialogen vornehmlich geht, ist aktuell: Digitalisierung. Oder ins Allgemeine gewendet: Veränderung. Einige sind dafür, andere dagegen, keiner hat recht. Auch die Moral ist recht fragwürdig, ein Doppelleben führen alle, allzu große Probleme hat damit keiner. Entsprechend schlicht ist die Machart: kühles Licht, unattraktive Sets, erfreulich wenig Musik. Also ein Film, der mich als Zuschauer ziemlich kaltlässt, ohne mich zu langweilen. Das Fragmentarische macht ihn angenehm unaufdringlich, er lässt sich Zeit, obwohl es die meisten Protagonisten eilig haben; eilig wird gegessen, man setzt sich nicht einmal mehr an einen der Tische, die gerade in französischen Filmen oft den Mittelpunkt bilden. Zudem wird kaum noch Rotwein getrunken, helle Getränke sind angesagt, geraucht wird im Freien, Zigaretten werden nach wenigen Zügen entsorgt.
Auch wenn viele Szenen beiläufig wirken, steckt wohl ein Plan hinter dem Ganzen, so geschickt verborgen unter dem oberflächlichen Gerede, dass ich nicht sagen könnte, worin genau er besteht. Wenn der Film später im Jahr beim Co-Produzenten Arte zu sehen ist, werde ich mein Gefühl überprüfen.
Ein Gefühl, das übrigens nur Meisterwerke hinterlassen. Und das sage ich nur, um dem demonstrativ Unpathetischen etwas Unpassendes entgegenzusetzen.