Humorkritik | April 2018

April 2018

Lächerlichkeit tötet: Das ist ein Satz, der eine sehr finstere Bedeutung annehmen kann.
Hans Magnus Enzensberger

Fast ein Hauch von Satire

Die vergleichsweise klügsten Worte im Sammelband »Querulantinnen: Kabarett und Poesie« (Reclam, 2018) findet Christine Prayon, bekannt als Birte Schneider aus der »Heute-Show«: »Aber es ist doch traurig. Es braucht immer die Frauen-Kabarettreihe. Die Männer-Kabarettreihe gibt es eigentlich gar nicht. Weil die Männer-Kabarettreihe ist Kabarett. Männerkabarett ist Kabarett. Und Frauenkabarett ist Frauenkabarett. Und solange wir darüber reden müssen, gibt es echt noch viel zu tun.« Klar, daß man dieses Zitat im Vorwort des Buches verstecken muß, denn »Querulantinnen« betreibt genau das, was ihm darin vorgeworfen wird: Frauenkabarett lediglich als Frauenkabarett darzustellen, und noch nicht mal als gutes. Man fühlt sich beim Lesen wie in einer Folge von »Ladies Night« mit Gerburg Jahnke, ohne Aussicht auf Entfliehen: Eine Gruppe frustrierter Heterofrauen macht einen Ausflug in eine Kabarettsendung, um mit den »Mädels« mal so richtig über die Männer herzuziehen. Ja, haha, das ist genauso spaßig wie ein Stadionabend mit Mario Barth, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Hier ein paar wahre Worte von Lisa Catena: »Mein Kabarett ist laktose- und glutenfrei. Veganer und Vegetarier weise ich darauf hin, daß in einigen Nummern Tiere vorkommen. Und ja: Meine Texte enthalten Spuren von Satire.« Mehr aber auch nicht.

Dazu kommen noch ein paar Spoken-Word-Poetry-Vorträge, von denen man nur hoffen kann, daß sie auf der Bühne weniger peinlich wirken als in einem Buch: »Du hast so viele Qualitäten und vor allem die / Wenn ich mich neben dir auf Photos sehe bin ich schön wie nie / Neben deinem Wabbelkinn und deinem dicken Bauch / Bin ich regelrecht grazil, bin ich fast nur noch ein Hauch // Auch deine Tränensäcke hab ich wirklich ausgesprochen gerne / Denn daneben sehen meine Augen aus wie helle Sterne / Für alles das will ich dir heut aus tiefem Herzen danken / Denn schon ein Blick auf dich läßt mich ’ne Menge Selbstbewußtsein tanken« (Tina Teubner; für das Versmaß bitte direkt bei der Autorin bedanken). Der oft dem Kabarett gemachte Vorwurf, es zementiere nur bereits feststehende Sichtweisen und lasse den Zuschauer mit dem wohligen Gefühl zurück, er sei auf der Seite der Guten und alle anderen totale Hohlköpfe – diesen Vorwurf müssen sich auch die Texte dieses Buches gefallen lassen. Neue Erkenntnisse? Keine. Dafür habe ich jetzt eine Liste von Kabarettistinnen, die ich garantiert nie auf der Bühne sehen will.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick