Humorkritik | Februar 2017

Februar 2017

»And don’t even think of writing something stupid like ›what a lucky break a Trump presidency is for comedians, the jokes write themselves‹. No, no, no. Shut up! Jokes don’t write themselves. Jews write jokes. And they are scared shitless.«
Samantha Bee

Im finsteren Tal

Orson Welles konnte einst mit seinem berühmten Hörspiel »War of the Worlds« noch vom Angriff der Außerirdischen Verängstigte auf die Straßen jagen – heute lehrt das Medium »Radio« mit den größten Hits der Achtziger und Neunziger eher das Ekeln denn das Gruseln. Allerdings haben sich inzwischen ein paar ausgezeichnete Fiction-Podcasts im Netz als Welles-Nachfolger etabliert. Der wohl bekannteste ist der seit 2013 alle zwei Wochen erscheinende »Welcome to Night Vale«, dessen Konzept man irgendwo zwischen Twin Peaks, H. P. Lovecraft und Kleinstadtradio ansiedeln kann: In dem Wüstenstädtchen Night Vale nämlich verhalten sich die Konzepte Zeit und Raum anders, als man es von ihnen gewohnt ist. Moderator Cecil Palmer, dessen Stimme klingt wie geschmolzene Bitterschokolade, spricht in der gleichen liebevollen Art über eine Katze, die in der Herrentoilette des Senders schwebt, wie über lokale Ereignisse – etwa eine Parade für die Opfer des letzten Weltraumkrieges –, oder warnt seine Hörer, daß sie derzeit dem Park besser fernbleiben sollten, da man dort in einer obskuren Parallelwelt verschwinde, in der zwar der Smartphone-Akku ewig hält, die man aber nicht mehr verlassen kann. Aber auch außerhalb des Parks ist man nicht sicher: Eine uralte kosmische Gottheit in Gestalt eines Beagles will in Night Vale den Untergang der Welt einläuten. All dieser Dinge ist man sich im Städtchen schulterzuckend bewußt, man akzeptiert sie, schickt seine Kinder weiterhin zum Baseball und verliebt sich. Auch Cecil selbst: Er ist schon von der ersten Episode an in Carlos verschossen, einen Wissenschaftler mit »Zähnen wie ein amerikanischer Soldatenfriedhof« und umwerfendem Haar, der mit seinem Team in die Stadt gekommen ist, um sich mit deren paranormalen Ereignissen zu beschäftigen. Die schwule Beziehung wird als Selbstverständlichkeit behandelt – wie auch andere Minoritäten ohne viel Aufhebens auftreten: So divers wie Night Vale ist kein anderer Film, kein anderes Buch und keine andere Serie, die mir bekannt sind, ohne daß man das Gefühl hätte, hier würden zwanghaft Quoten erfüllt. Klar: In einer Stadt, in der ein fünfköpfiger Drache Bürgermeisterkandidat ist, spielt es nun einmal keine Rolle, daß eine Person mit nonbinärer Geschlechtsidentität den Sheriffposten innehat.

Das Absurde ist allgegenwärtig: von den Werbeansagen, in denen beispielsweise Taco Bell mit einem dadaistischen Zahlengedicht Kunden gewinnen möchte, über Cecil Palmers immer wieder ins Verstörende abgleitende Kalendersprüche (»Folge deinem Herzen. Es ist in dem Styroporbehälter auf der Rückbank des Pickup-Trucks vor dir. Beeile dich, du hast nicht mehr viel Zeit«) bis zur Wetterdurchsage in Liedform.

In jüngster Zeit veranstaltet »Welcome to Night Vale« auch Liveshows, die – ich war in Berlin dabei – noch ein Stückchen besser sind als der Podcast selbst: schaurig und voll surrealistischem Witz. Falls die Show demnächst in Ihrem Paralleluniversum oder Ihrer Herrentoilette auftreten sollte: gehen Sie hin.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt