Humorkritik | August 2015
August 2015
»Der Scherz ist unerschöpflich, nicht der Ernst.«
Jean Paul
Mein Freund, der Baum
Es geht um viel im satirischen Romandebüt der Berlinerin Sarah Waterfeld (»Sex mit Gysi«, Eulenspiegel Verlag), nämlich um die (echte, deutsche) Linkspartei in der Krise, vermeintliche Sexorgien mit dem (nunmehr ehemaligen) Parteivorsitzenden, Intrigen und Bauernopfer und Wanzen im Fraktionsbüro, ehrgeizige Jungjournalisten und kiffende Hacker und Sahra Wagenknecht als Freimaurerin – laut Klappenwerbung sowohl »Drama« als auch »Krimi« und »Persiflage« und also »ein Kabinettstück über die politische Kultur Deutschlands«. Und zwar von einer Autorin, die als ehemalige Mitarbeiterin der Linksfraktion im Bundestag aus dem Nähkasten plaudern kann.
Wenn wir aber nun der Maxime folgen, wonach Form der höchste Inhalt ist, dann steht in »Sex mit Gysi«, diesem in hilfloser Schmissigkeit heruntergelärmten Mix aus Preßdeutsch, Metaphernfriedhof und dem Stadtplan von Berlin, plötzlich gar nichts mehr drin: kunstfern wie ein Groschenroman, aber längst nicht so amüsant; so leer, daß es bei Ikea als Buchattrappe taugte. Und nicht gern gehe ich als alter Mann so hart mit Debütantinnen ins Gericht, aber es stimmt mich schlicht verdrießlich, daß hier junge, akademisch gebildete Menschen mit schriftstellerischen Ambitionen ihre Nase lesbar in noch keinen Klassiker gesteckt haben, weil es in Zeiten, in denen Literatur mehrheitlich aus Genre und PR besteht, ja reicht, zum Buchstart eine dicke dumme Homepage programmieren zu lassen. Fast will ich alter Dialektiker diese unfreiwillige Persiflage schon wieder empfehlen: als Propädeutikum »Hauptstadtprosa oder warum Literatur gelernt sein will«. Damit die Bäume nicht ganz ohne Sinn gestorben sind.