Humorkritik | August 2015

August 2015

»Der Scherz ist unerschöpflich, nicht der Ernst.«
Jean Paul

(Ra)abgesang

Aber ist sie so ungerecht, die Welt? Die Welt, in der wenigstens Stefan Raab sich endlich aus dem Staub macht?

Als Raab ankündigte, seine Sendung »TV Total« und überhaupt seine TV-Karriere einzustellen, beschlich mich Nostalgie und der Drang, ihm einen freundlichen Nachruf zu schreiben: Wenigstens die Anfänge von Raabs Wirken wollte ich würdigend darstellen. Beim Betrachten der allerersten Folge von »TV Total« aus dem Jahr 1999 wurde mir allerdings klar, daß mir mein wohlwollendes Gedächtnis einen Streich gespielt hatte. Denn beim Komiker Raab waren von Beginn an alle Ungenießbarkeiten zu erkennen: die Tatsache, daß die in der Witzigkeit schwankenden Einspielfilmchen seine Kommentare überhaupt nicht benötigen, weil sie die Pointe bereits enthalten (morbus postillonensis); die Unbedingtheit, mit der er immer auf der Seite der Großen steht und sich von dort auf die Kleinen und Wehrlosen stürzt, auf die Lisa Lochs und kauzigen Sächsinnen dieser Erde; seine unerträgliche Häme; sein extrabreites Grinsen über noch den flauesten Witz – all das ist schon in der ersten Folge planvoll angelegt.

Aber aus dem TV ist ja nicht aus der Welt, und ginge es nach mir, dann würde sich Raab nun mehr auf seine musikalischen Fähigkeiten besinnen, mit denen er mir deutlich weniger auf die Nerven geht. Vergleichsweise gern erinnere ich mich an seinen ersten Coup mit Guildo Horn beim Eurovision Song Contest bzw. seinen eigenen Auftritt dortselbst, als er mit dem schlauen und kompositorisch unzweifelhaften »Waddehaddeduddeda« die ganze hehre Veranstaltung auf den Arm nahm. Selbst die Ständchen mit Ukulele, die er in »TV Total« regelmäßig für irgendwelche Prominente aufführte (»Raabigramme«), waren erbaulicher und mit mehr Humor gesegnet als der Rest der Sendung. Und auch sein Erfolg mit der von ihm produzierten Lena Meyer-Landrut ist nicht nur deren hübscher deutscher Blödhaftigkeit zu verdanken, sondern eben auch dem Umstand, daß da jemand etwas vom Musikhandwerk versteht (und gleichzeitig die Medienmaschine im Schlaf bedienen kann).

Das alles aber soll er mal künftig schön im Hintergrund betreiben, weitab von Fernsehkameras. Und so greife ich in Ermangelung einer Ukulele zur E-Gitarre und singe feierlich zur Melodie von »Satellite«:

Raab, o Raab,
ich muß dir sagen was ich für dich fühle
denn ich, o ich, freu mich, dein Grinsen nicht mehr zu sehn!
Endlich wieder fernsehen, ohne daß mich Angst befiele,
du würdest zähnebleckend und feist
plötzlich vor mir auf dem Bildschirm stehn!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg