Humorkritik | Oktober 2014

Oktober 2014

Dicker Kapielski

Ausführlich gelobt habe ich Thomas Kapielski bereits des öfteren für seine äußerst komischen und philosophischen Miniaturen, Aphorismen, Kürzestgeschichten. Ein wenig blaß wurde ich, als mir zu Ohren kam, er werde nun so etwas wie einen Roman veröffentlichen. Ob das gutgeht? frug ich mich. Indes, die Zweifel waren unbegründet. Das nun vorliegende Buch – es ist sogar mehr als ein Roman, ja ein wahrer »Volumenroman« geworden, mit immerhin 450 Seiten, einem Prolog und einem abschließenden Personenverzeichnis, »wie es sich auch für voluminöse russische Romane bewährt hat« – unterhält den Leser ganz wunderbar. Das Ganze trägt den trefflichen Titel »Je dickens, destojewski« (Suhrkamp), eine nur leicht orthographisch abgewandelte Wiederaufnahme des Mottos von Kapielskis Erzählband »Sozialmanierismus« (2001). Die Geschichte handelt von Ernst L. Wuboldt, einem zwischen Spandau und Bamberg hin- und herwandernden und in beiden Städtchen gerne dem Bier zusprechenden Charakter, und von seinen örtlichen Stammtischkumpanen, die sich in Preußen und Franken spiegelbildlich gegenüberstehen: Jeweils gehören z. B. ein Kommissar, ein Reformspezialist sowie eine Servierkraft zum Kreis der Mitwirkenden. Es wird viel getrunken und diskutiert, über Gott und die Welt, und wer Kapielski kennt, wundert sich nicht, daß dabei der Kalauer der tiefen philosophischen Einsicht ganz nahesteht.

Seine Manierismen würden wohl in dieser epischen Breite bei weniger begabten Autoren schnell fad wirken, Kapielski jedoch findet auch auf der Langstrecke den richtigen Dreh. Er tritt sogar höchstselbst auf, als »der Pohle« (sic), der mit seinem Geschöpf Wuboldt so manches Streitgespräch führt. Und wenn »Örni«, wie Wuboldt manchmal auch genannt wird, dem Pohlen zuviel Quatsch macht, stutzt dieser ihn zusammen, macht ihn zur Strafe plötzlich zwanzig Jahre älter oder verweigert ihm den Geschlechtsverkehr mit den im Roman vorkommenden Damen. Das alles ist lustig und schön »meta«, und falls es dem »geneigten Leser« (wer hätte gedacht, daß es noch Texte gibt, in denen diese Wendung nicht fehl am Platz wirkt?) mal zuviel wird, greift der Pohle ein: »›Diese kleinpusselige Umständlichkeit! Diese pingeligen Beschreibungen von Bleistift und Stechtier. Dein ganzer Seich! Das interessiert doch keinen! Faß dich kurz, und komm in die Latschen, Ernst!‹ – ›Aber in Romanen, da muß es so sein!‹ – ›Quatsch! Mach hinne!‹«

Ob in Passagen des Hinnemachens oder der seitenlangen Prokrastiniererei: Kapielski macht den Lesern Freude, auch mit seinem ersten Roman.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg