Humorkritik | Januar 2014
Januar 2014

Komischer Vogel
Auch wenn im Poetry Slam oftmals performative Witzelsucht und leidlich Gereimtes dominieren: es lohnt durchaus, einzelne Akteure im Auge zu behalten, wofür zuletzt der hier empfohlene Christian Bartel stand (vgl. Heft 5/2013). Der Münsteraner Andy Strauß gilt seiner Auftritte wegen als enfant terrible, wovon ich mich bei einer »Lesung« auf der Leipziger Buchmesse einst selbst überzeugen konnte. Da improvisierte er in lila Jogginghose neben einer Tüte Hundefutter, ich erfuhr wenig über das Buch, war aber baß erstaunt, wie eloquent dieser komische Vogel auch komplexeste Satzkonstruktionen unfallfrei beendete, so daß ich mir notierte: Der Junge kann gut mit Sprache und nimmt sicher nur halb so viele Drogen, wie er vorgibt (oder verträgt sie einfach gut). Derart eingestimmt, las ich nun seinen zweiten Roman »Kuck dir die Tiere an, wie glücklich die immer sind« (Unsichtbar Verlag) und war erneut überrascht. Da erzählt Strauß die skurrile kleine Geschichte von einem jungen Mann, der nur noch zwei Monate zu leben hat und in dieser Zeit seiner Geliebten eine Hauptrolle als Kerze in einem kruden Schauspielstück verschaffen will, so locker schnurrend und mit Bonmots gespickt herunter, daß es eine Freude ist. Dabei ist das Buch mit dem sperrigen Titel Roman und Antiroman gleichermaßen: Er funktioniert, doch manche Prämisse, z.B. die Suggestionskraft des Helden, ist derart künstlich gesetzt, daß auch das Konzept Roman und seine Rezeption unter Strauß’ Ironiebürste kommen.
Spätestens das zehnseitige »Vorwort mit literaturwissenschaftlichen und dubiosen Anmerkungen« am Ende des Buches verschafft in diesem Punkte Klarheit. Darin erklärt der Autor den Roman, die intertextuellen Bezüge und wieso Friseure und nicht Michael Ende die Welt von Tocotronic zerstörten. Nicht nur dafür gebührt Strauß großer Dank.