Humorkritik | Oktober 2009

Oktober 2009

Exzentriker ohne Zentrum

Wenig, ja praktisch nichts habe ich mit Edith Sitwells »Englische Exzentriker« anfangen können, einem kleinen, auch hierzuland schon häufig aufgelegten Büchlein, das nun mal wieder bei Wagenbach herausgekommen ist. Bis jetzt war ich um die Lektüre unbekannter Frivolitäten aus der Welt des britischen Eigensinns immer herumgekommen, nun aber schlug ich das Buch erwartungsfroh auf. Bis zum Ende, das will ich gleich zugeben, hielt ich jedoch nicht durch, obschon es nur 150 Seiten hat und in einem eigentlich ziemlich witzigen, zu prunkvollen Arabesken neigenden Stil gehalten ist, der offenkundig sehr behutsam ins Deutsche übertragen wurde.

 

Dame Sitwell, die das Buch 1933 veröffentlichte und selbst für ihre schrillen Kostümierungen bekannt war, definiert Exzentrikertum erfreulich hochtrabend als den Versuch, »den Folgen des Am-Leben-Seins zu entrinnen«. Um so bedauerlicher, daß das Buch dann wenig mehr leistet, als wahllos Anekdoten und historische Causerien vornehmlich aus dem 18. und 19. Jahrhundert zusammenzutragen, die nur eines gemeinsam haben: daß sie alle recht belanglos sind. Da steht ein Lord, der an Waschzwang leidet, neben Ernährungsneurotikern und ganz normalen Alkoholikern, Freßsäcken, Glücksrittern und romantischen Jungfern.

 

Der Spott, den Sitwell über diesen eher unglücklich-neurotischen als genial-solipsistischen Gestalten ausgießt, ist durchaus konservativ, nur punktuell von Sympathie, selten von einem tieferen als blankem Klatschinteresse getragen. Und wirklich interessante Sonderlinge, wie jener wohlhabende Mr. Hamilton, der sich einen »dekorativen Eremiten« für seinen Park anschaffte, oder Squire Mytton, der seinen Schluckauf behandelte, indem er sein Nachthemd in Brand setzte, sind die Ausnahme – wie auch elegante Aphorismen der Autorin selbst. So charakterisiert sie Freuds Psychoanalyse als die Theorie, »die gegenwärtige Ruhelosigkeit in Europa sei der Wunsch jeden Mannes, der einzige Sohn einer Witwe zu sein«. Das Buch, nach Sitwells eigenem Bekunden eher eine Brotarbeit, kann sicherlich einen kurzweiligen Nachmittag bereiten. Anregungen zur weiteren Exzentrierung des eigenen Lebens vermag es indes nicht zu geben.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt