Humorkritik | April 2009

April 2009

Kabale und Hiebe

Neu ist die Idee, Dichter-Dichtung und Dichter-Wahrheit kühn und komisch zu vermengen – wie die meisten Ideen – freilich nicht; ich erinnere mich nur an Walter Satterthwaits Krimi »Oscar Wilde im Wilden Westen« oder Peter Henischs »Vom Wunsch, Indianer zu werden. Wie Franz Kafka Karl May traf und trotzdem nicht in Amerika landete« als besonders gelungene Beispiele solcher parodistischer Anverwandlungen.

Auf die Spitze getrieben hat die geistreiche Gattung der mir bislang unbekannte Robert Löhr in seinem »Historischen Roman« »Das Erlkönig-Manöver« (Serie Piper), dessen Erzählanlaß darin besteht, daß ein angeblicher Sohn Ludwigs XVI. aus dem amerikanischen Exil nach Europa heimkehrte, um Napoleon zu bekämpfen, jedoch von dessen Häschern gefangen und in die Festung Mainz geworfen wird. Eine obskure Allianz, welcher der Weimarer Herzog Carl August angehört, beauftragt ausgerechnet den geheimen Rat Goethe mit einer geheimen Befreiungsaktion, zu deren erfolgreicher Umsetzung der Dichter einige Assistenten einberuft. Klar, daß sein Freund Schiller dabei ist, und weil der welterfahrene Alexander von Humboldt zufällig in Weimar weilt, wird auch er rekrutiert. Dazu gesellen sich Bettina von Brentano und ihr Verlobter Achim von Arnim sowie ein extrem cholerischer Franzosenhasser, der sich dem Trupp an die Verse, pardon, Ferse heftet, weil er Goethe ein frischgebackenes Theaterstück aufzunötigen gedenkt: Heinrich von Kleist. So originell diese Konstellation ist, sie verblaßt gegenüber dem furiosen Abenteuer, das Löhr entfesselt, indem er sein Sextett in eine veritable Mantel- und Degenklamotte katapultiert, in deren Rahmen die Dichter und Denker nicht mit der Feder, sondern der Stichwaffe hantieren.

Kutschenüberfälle, Bombenanschläge, furiose Fluchten, irrsinnige Intrigen und wilde Volten: alles drin, alles dran. Goethe obliegt natürlich die Führung des Ganzen, wobei er bei Winnetou in die Schule gegangen zu sein scheint, während Schiller einen passablen Shatterhand und Kleist die obligatorische komische Figur abgäbe – einen juvenilen Old Wabble vielleicht. Nicht einen Jux will Löhr sich machen, sondern ein  Feuerwerk anspielungsreicher Scherze abfackeln.

Für die Bildungsbürger unter uns richtet er subtile Späße an, denn natürlich hat er den ganzen Büchmann in petto und läßt seine Helden unentwegt in Klassikerzitaten konversieren. Dabei legt Löhr keine Scheu vor dem krachenden Kalauer an den Tag, indem etwa die Kameraden Kleist warnen, sich im Wald nicht auf einen »schroffen Stein« zu setzen, Schiller seinen Wanderstecken vermißt und in die Runde fragt, ob jemand seinen »Klopstock« gesehen habe, und unverzichtbar ein von Liebespein getrübter Zuchthauswärter herhalten muß, um erwartbare »Leiden des jungen Wärters« unterzubringen?…

Soll man es bewundern oder bedauern, daß Löhr sein travestierendes Treiben gnadenlos über 362 Schmökerseiten durchzieht und zum Beispiel auch noch eine Kurzfassung des »Zerbrochnen Krugs« einschmuggelt? Das Prinzip seiner Witzmaschine hat man rasch durchschaut, und irgendwann droht sie ebenso ins Leere zu laufen wie die überdrehte Handlung. Weil der lustigen und überraschenden Details aber viele sind, schließe ich mich zitierend Löhrs Goethe an, der zum guten Ende dann doch noch Kleists »Krug« lobt, verfüge dieser doch über »ein Tempo, einen Witz und ein wunderbares Gemisch von grillenhaften Figuren, außerordentliche Verdienste, die mir beim zweiten Blick sehr gefallen haben«. Der Kasus machte mich durchaus lachen – um mal ein Faust-Zitat unterzubringen, das Löhr merkwürdigerweise durch die Lappen gegangen ist.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
30.11.2023 Erfurt, Franz Mehlhose Max Goldt
30.11.2023 Friedrichsdorf, Forum Friedrichsdorf Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer
01.12.2023 Karben, Kulturscheune im Selzerbrunnenhof Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige