Humorkritik | September 2008
September 2008
Noch mal:
Chandler & Wollschläger
Zwar ist es richtig, daß, wie ich in der vorletzten Ausgabe mitteilte, die bei Diogenes verlegte und von Hans Wollschläger mitübersetzte Chandler-Werkausgabe – ich zitiere mich selbst – »seit über dreißig Jahren die gültige Ausgabe für den deutschsprachigen Raum vorstellt«, aber diese Angabe möchte ich doch noch präzisieren: Beim Diogenes-Chandler handelt es sich um die gültige deutschsprachige Lese-Ausgabe.
Seit guten vierzig Jahren nämlich produziert der verdiente Regisseur Hermann Naber im Auftrag der öffentlichen Rundfunkanstalten immer wieder Chandler-Hörspiele und greift dabei mit derselben sicheren Hand, mit der er inszeniert, ausschließlich auf die ältere Übersetzung von Wilm W. Elwenspoek zurück, die in den fünfziger und sechziger Jahren bei Ullstein erschien.
Weil Naber freilich weiß, daß Hörspiele ganz anders funktionieren als Lesetexte, verzichtet er, von den frühen Arbeiten abgesehen, auf eine starke, für Chandler typische Erzählstimme. Aber auch in dieser Form ist Chandler schlicht: großartig. Weshalb die im Audio Verlag erschienen Hörspiele, zehn davon in einer schön aufgemachten Box zusammengefaßt, uneingeschränkt zu empfehlen sind.
Auf etwas anderes hat mich ein Leser aufmerksam gemacht: Der vielleicht spektakulärste wollschlägersche Übersetzungsunfall habe sich nicht bei Chandler und auch nicht im »Ulysses« ereignet, sondern in einer Rezension einer Neuausgabe des »Muret-Sanders«, dem englisch-deutschen Wörterbuch schlechthin. In diesem Textchen von 1982, das Wollschläger selbstverständlich – ein Hans Wollschläger schrieb grundsätzlich nie nur fürs Brot, sondern immer für die Ewigkeit – in die noch von ihm selbst begonnene Reihe seiner Schriften aufgenommen hat, stößt man auf dieses komische Juwel:
»Warum aber findet er« – der Wörterbuchbenutzer – »bei ›Masturbation‹ nur das steife masturbation und onanism – und nicht auch das durchaus verbreitete, durch Volkswitzigkeit sogar dem Landesbischof erträglich gemachte fist-fucking? Zweifellos: hier hat das Über-Ich der Bearbeiter ungebeten mitgewirkt, und das hätte, so um 1977, nicht mehr sein müssen.«
Das Über-Ich der Wörterbuchbearbeiter konnte halt einfach besser Englisch als das Ich-Ich-Ich von Hans Wollschläger. Und der Landesbischof griff, jede Wette, zum Erträglichmachen nicht zur Volkswitzigkeit, sondern, wie jeder andere auch, zur Vaseline.
Da wäre man doch gern mal dabeigewesen, wenn es den großen Schriftsteller, Organisten, Übersetzer, Karl-May-Herausgeber etc. nach einer Handentspannung verlangt und er bei einer entsprechenden Dienstleisterin ein fist-fucking geordert hätte. Er hätte sich anschließend nicht nur über den gesalzenen Preis gewundert.