Humorkritik | Oktober 2008

Oktober 2008

Nicht mein Fall

Chick-Lit(erature) meint eine Gattung, in der sich eine mit wenig Selbstachtung gesegnete Heldin pannenreich zum Glück tölpelt; die männliche Variante dieser Erfolgsformel heißt Dick-Lit. Die derzeit erfolgreichsten deutschen Dick-Literaten kommen vom Fernsehen. Bei vielen gilt Ralf Husmann als der Kopf hinter der Pro7-Serie »Stromberg«; Ricky Gervais, einer der Köpfe hinter der BBC-Vorlage »The Office«, teilt die Meinung nicht. Zu Einzelheiten will er sich zwar nicht äußern, läßt aber durchblicken, daß er über die finanzielle Regelung, die er mit der Produktionsfirma Brainpool traf, sehr zufrieden sei. Ansonsten wundere er sich, daß es Leute gebe, die versuchten, sich unter den Nagel zu reißen, was ihnen gar nicht gehörte. So kenne man als Engländer die Deutschen gar nicht.

 

Für seinen ersten Roman »Nicht mein Tag« (Scherz) hat Husmann einen bewährten Plot verwendet. Die Geschichte vom inkompetenten Bankräuber nebst adäquater Geisel gab es als Film schon mit Gérard Depardieu und Pierre Richard, ein Remake in Hollywood folgte; und erst kürzlich sah ich auf dem Ramschtisch einer Buchhandlung ein Taschenbuch, das den gleichen Einfall verwurstet. Daß diese Situation so gerne verwendet wird, hängt wohl damit zusammen, daß gleich zwei dramaturgisch erogene Zonen berührt werden: Zum einen ist eine Geiselnahme eine klassische Fish-out-of-water-story, und zum anderen sind Entführer und Entführter ein typisches odd couple.

 

Doch braucht es immer auch einen Autor, der die Konstellation originell umsetzt. Husmanns »unglaublich gute Geschichte eines gar nicht guten Arbeitstages« (Verlagswerbung) beginnt in den Büroräumen einer Bank, wo man auf das übliche Personal trifft: Den vor seiner Pensionierung stehenden Chef, die junge Blondine, die natürlich doof ist, aber überraschenderweise nicht doof genug, um sich für den Helden auf den Rücken zu legen. Entführt wird ein Familienvater in der Midlife-crisis, der einen dämlichen Seitenscheitel trägt, was, wie der subtil beobachtende Autor weiß, ein Kennzeichen von Durchschnittlichkeit und Langeweile ist.

 

Der Bankräuber und Geiselnehmer ist ein heruntergemendelter Atze-Schröder-Klon, der am Tourette-Syndrom leidet, außerdem Ami-Schlitten und Westernhagen mag und, als wäre das alles noch nicht schlimm genug, auf der Wandergitarre ­»Hotel California« lernen will. Mit der Geisel geht es nach Holland an den Strand. Auf dem Weg dorthin treffen sie Leute, die entweder fernsehen oder ins Fernsehen wollen. Das alles ist, so teilt Husmanns Verlag mit, »hoffnungslos lustig«.

 

Die Geisel reagiert auf die Widrigkeiten mannhaft. Sobald ein Quadratzentimeter Frauenhaut in ihr Sichtfeld rückt, beginnt das chronisch oversexte Gestammel, welches das Markenzeichen dieser Literaturgattung ist. Dabei gelingt es Dick Husmann mühe­los, die von den Chicks Kürthy & Co. gesetzten Standards in Sachen Banalität und Vulgarität zu unterbieten; das muß man aller­dings auch erst mal schaffen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt