Humorkritik | November 2008

November 2008

Der Haufen Scheiße

Bismarck? »Bisquark.« Nietzsche? »Das Nichts-sche.« Goethe? »Göthchen-Köthchen.« Strindberg? »Kindberg, Rindberg, Grindberg!« Und sein eigener Name? Ist heute allenfalls noch durch eine Schrift von Friedrich Engels erinnerlich, den »Anti-Dühring« (deren eigentlicher und weniger bekannter Titel »Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft« lautet). Dem Miterfinder des Marxismus war es darum zu tun, Dührings Vorstellungen von einem ganz besonderen Sozialismus, in dem Arbeiter und Kapitalisten lieb miteinander kuscheln, abzutun; das braucht hier nicht weiter zu interessieren.

 

Sondern alles andere. Denn als Gesellschaftstheoretiker war Eugen Dühring (1833–1921) bei weitem nicht ausgelastet, er reüssierte auch als Physiker, Mathematiker, Philosoph, Nationalökonom und Philologe, nur daß er das Universitätskatheder nach dem Entzug seiner Lehrerlaubnis 1877 mit dem Schmollwinkel vertauschte und fortan mit schwarzer Wut alle verfolgte, die Rang und Namen hatten. Das wirkte in einer Welt, in der sonst Vor- und Rücksicht und diplomatische Mäßigung den Ton angaben, erquickend komisch. Aus dem berühmten Physiker Helmholtz machte Dühring den »Helmklotz«, die Philosophie eine der größten Geister der Menschheit tat er verächtlich als »Aristoteles­kram« ab, wie er denn auch sonst nichts von den »Philosophisten« hielt und sie als »Faulenzer auf dem Philosopha« schmähte; die Goethesche Klassik war für ihn bloßer »Weimar­schnickschnack«, und überhaupt verachtete er angesichts der »Würmer«, die in der Literatur das Sagen haben, und in Anbetracht der »Gelehrtenunthaten« die gesamte »Intellektuaille«.

 

Voltaire »hatte von Natur einen einfachen Verstand«; Turgenjews Roman »Vater und Söhne«: ein »Machwerk«; Zola: ein »Geschäftsromancier«. Und der schon erwähnte Goethe? Da braucht man sich nur sein ach so berühmtes Poem »Dem Geier gleich u.s.w. schwebe mein Lied« vorzuknöpfen: Wenn man sich »durch diesen Schwulst hindurchgearbeitet hat, findet man sich versucht, den Anfang mit einer kleinen Veränderung zu wiederholen und als Endvers zu setzen: Zum Geier gleich u.s.w. schwebe sein Lied.«

 

Vor allem das »Scheintalent« Lessing hatte der Wüterich auf dem Kieker. Seine »Minna von Barnhelm« sei »ein in jeder Beziehung armseliges Stück«; im »Laokoon« verbreite er »handgreifliche Albernheiten«; überhaupt sei seine Kunstkritik »formlos und inhaltlos« und etwas noch »Unzulänglicheres als eine hohle Nuß«.

 

Doch wenn Dühring über »Nathan der Weise oder, wie es bezeichnender heißen sollte, Melchisedek der Verschmitzte« schreibt, ahnt man allmählich was; wenn man dann liest, wie er sich über Ludwig Börnes »polterndes Judendeutsch« aufregt und ihn zusammen mit Heine als »die beiden christlichen Hebräer, die auf und in der deutschen Literatur als Parasiten gehaust haben«, schmäht; wenn man schließlich, um sich auf neutrales Gebiet zu retten, seine »Kritische Geschichte der allgemeinen Principien der Mechanik« von 1887 in die Hand nimmt und auch dort prompt von irrem Gegeifer über die »wissenschaftliche Unfähigkeit des Hebräerstammes« mit seinen »geringen Raceneigenschaften« zugekotzt wird – dann ist es mit dem Lachen leider Essig. Schade, daß Eugen Dühring-Geschwüring noch viel mehr als bloß ein Köthchen war, nämlich ein Haufen Scheiße.

  

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Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt