Humorkritik | April 2008
April 2008

Egersdörfer
Ungelenk stapft Matthias Egersdörfer auf die Bühne, das fettige Haar gescheitelt, die Mundwinkel hängen nach unten, das Hemd spannt über dem Wanst. Und dann beginnt er in jenem breit-bräsigen Mittelfränkisch vor sich hin zu nölen, das die verhockte und gerne auch nachtragende Menschheit zwischen Erlangen und Hersbruck zu sprechen pflegt. Via YouTube konnte ich mir einen Eindruck davon verschaffen, daß hier womöglich ein Großtalent des Komischen heranwächst, ein imposanter Schimpfer und »Narrateur« (G. Polt), dessen Erkundungen in den Weiten des Alltagswahnsinns aufs stimmigste mit einem profunden schopenhauerischen Welthaß grundiert sind.
Egersdörfer, Jahrgang 1969, tritt erst seit 2004 mit kabarettistischen Soloprogrammen auf. Vorher unternahm er auf seinem offenbar holprig-krummen Lebensweg germanistische Universitätsstudien, spielte Theater, gab den Sänger der Franken-Boygroup »Fast zu Fürth«, drehte (und dreht weiterhin) Kurzfilme, schrieb finster-manische Kurzprosa, die Einblick in seine schwerst beschädigte Kindheit und Jugend in der mittelfränkischen Schnarchstadt Lauf an der Pegnitz gewährt (eine kleine Auswahl präsentiert der kostbar bibliophile Band »Die Jugend turnt. Wozu?«, der 1998 in der Hersbrucker Bücherwerkstätte erschien), und schloß ein Studium an der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste ab.
Wie aus heiterem Himmel regnete es dann letztes Jahr Preise. Egersdörfer sackte den Hamburger Comedy-Pokal, den Kleinkunstpreis der Berliner Wühlmäuse, den Münchner Kabarettkaktus und das Passauer Scharfrichterbeil ein. Die niederbayerische Jury würdigte ihn »als enorme Komikerfigur, wildgewordenen Kleinbürger, ausgeglichenen Amokläufer und fränkischen Frauenversteher«.
Das auf YouTube zu sehende Material bestätigt die Lobeshymnen aus Passau und anderswo. In »Auf der Autobahn« gibt Egersdörfer einen, ja: maulfaulen Schwadroneur, der darüber sinniert, woher diese andauernd vom Verkehrsfunk gemeldeten ominösen »Gegenstände auf der Fahrbahn« stammen und wie sie beschaffen sein könnten. Aus der einleuchtenden Beobachtung schlägt er manch wunderbar gefeilte absurde Volte, doch vor allem pflaumt Egersdörfer, der sich sukzessive in Rage salbadert, auf grandios plausible Weise gleich mal das Publikum an, damit klargestellt sei, was in der Elendsveranstaltung Kabarett überhaupt noch möglich ist.
Nämlich z.B.: von den Grausamkeiten der Kleinbürgeradoleszenz Kunde zu geben, ohne zu gutmenscheln und zu lamentieren und statt dessen die Demütigungen etwa beim »Einkaufen mit den Eltern« als danteeske Höllenqualen in Szene zu setzen. Wenn Egersdörfer da brüllt, herumproletet, tobt und giftelt, packt einen der ganze Jammer des Daseins an, und zugleich spendiert uns dieser seltsam schief wirkende, misanthropische Mann Momente wahrer Erlösung.
Der übellaunige Publikumsbeleidiger ist mittlerweile bestens im Geschäft. Seine Website www.egers.de verzeichnet Livetermine bis Ende 2009. Ich empfehle nicht bloß eine Inspektion des Internetauftritts, um Egersdörfers sympathisch kaputte Kleinfilme anzuschauen, sondern befehle glatt, sich diese aufkeimende Hoffnung baldmöglichst leibhaftig anzusehen.