Humorkritik | Oktober 2007

Oktober 2007

Fernsehfernsehsitcoms (Online only)

Zwei (mehr oder weniger) neue Sitcoms aus den USA spielen in einem Milieu, das ihre Produzenten in- und auswendig kennen: dem der Fernsehstationen. »Back To You« läuft seit September auf Fox, in der Hauptrolle: Kelsey »Frasier« Grammer als Chuck Darling. Darling ist ein News-Anchorman, dessen steile Karriere jäh von einem Wutausbruch vor laufender Kamera beendet wird, was ihn dazu zwingt, ein Angebot seines früheren Heimatsenders (»WURG 9«) anzunehmen. Zurück in der Provinz erwarten ihn ein überambitionierter Reporter, eine südamerikanische Wetterfee mit Hang zum Flittchentum, ein sehr junger und sehr dicker News Director sowie die nun zur Co-Moderatorin heruntergestufte Kelly Carr, mit der Darling vor Jahr und Tag nicht nur eine kurze Affäre hatte, sondern, wie sich in der ersten Episode herausstellt, infolgedesse auch eine gemeinsame Tochter hat – was aber in der Redaktion keiner wissen darf.

 

Eine solide Figurenkonstellation also für eine traditionelle Sitcom, und genau das haben die Produzenten daraus auch gemacht. Beinahe ein wenig zu altmodisch, kommen einem doch Rezept und Zutaten altvertraut vor: Genau aus dieser Mischung burlesker Situationen, die aus dem Zwang entstehen, amouröse Verbandelungen geheim halten zu müssen, und echter Konflikte, die die Figuren zu liebenswürdigen Charakteren werden lassen, haben die Produzenten Christopher Lloyd und Steven Levitan schon »Frasier« gebacken. Die erste Folge »Back To You«, in der die Auseinandersetzung zwischen Darling und Carr jäh ernst gerät, weil er seine Rechte als Vater wahrnehmen möchte, sie aber ihre Tochter nicht der Unsicherheit aussetzen möchte, genauso schnell wieder ohne Vater dazustehen, erinnert dann auch sehr an den Piloten von »Frasier«, in dem ein ebenso ernster Vater-Sohn-Konflikt das der Serie zugrundeliegende Dilemma etablierte, ohne daß die daraus resultierende Spannung unmittelbar durch Gags wieder zurückgenommen wurde. Eine gehäufter Löffel Emotion also, um für Tiefe zu sorgen – das kennt der aufmerksame Betrachter schon.

 

»30 Rock« ist da in jeder Hinsicht jünger. Der Titel »30 Rock« bezieht sich auf die Adresse 30 Rockefeller Plaza, die Adresse der New Yorker Studios von NBC, wo unter anderem »Saturday Night Live« produziert wird. Eben dort hat »30 Rock«-Autorin und Hauptdarstellerin Tina Fey, Jahrgang 1970, tatsächlich jahrelange Erfahrungen als Headwriter gesammelt, die sie nun in »30 Rock« anbringt. Da spielt sie Liz Lemon, die Chefautorin der »Girlie Show«, einer Sketchshow für ein weibliches Publikum, die stark an »Saturday Night Live« erinnert, und ist hauptsächlich damit beschäftigt, die Show gegen alle Fährnisse am Laufen zu halten. Das wird ihr von ihrem chaotischen Autorenteam, der zickigen Hauptdarstellerin und vor allem von ihrem neuen senderseitig Vorgesetzten Jack Donaghy (Alec Baldwin) schwergemacht. Donaghy ist ein ebenso kapitaler wie kapitalistischer Drecksack, der sich in alles einmischt und der Show zuallererst als neuen Star einen chaotischen Schwarzen a lá Chris Rock aufs Auge drückt, der dort hinpaßt wie die sprichwörtliche Spinne auf die Sahnetorte.

 

»30 Rock« ist dabei schnell und direkt, sowohl grellkomisch als auch satirisch, wenn es wahrhaft böse Kritik am durch und durch korrupten Fernsehbetrieb durchblitzen läßt, den es aber auch immer wieder feiert: »This is not HBO«, weist Liz einen Mitarbeiter zurecht, »it’s television.« Letzteres ist natürlich auch an den Zuschauer gerichtet, der ab und zu durch kleine komische Brüche auf den fiktionalen Charakter der Serie (wie allen Fernsehens) aufmerksam gemacht wird: Etwa wenn Donaghy verlangt, in der Sendung müsse Schleichwerbung zu sehen sein, Lemon und ihr Team das wütend ablehnen, im selben Moment aber begeistert über die Softdrinks reden, die sie in der Hand halten. Oder wenn jemand ermahnt wird, während eines Sketches nicht in die Kamera zu sehen, und der daraufhin in die Kamera sieht – aber nicht in die fiktionale Sketchkamera. Diese Brüche werden zum Glück aber so sparsam eingesetzt, daß sie immer eher eine komische als eine didaktische Absicht ahnen lassen.

 

Die zweite Staffel »30 Rock« hat in den USA gerade begonnen, und neben ihrer neuen Qualität generieren auch die zahlreichen Gaststars (von Conan O’Brien bis Jerry Seinfeld) der Show gerade die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Nach schwachen ersten Einschaltquoten scheint »30 Rock« sich nun, nachdem die Show bereits einen Emmy eingefahren hat, am Mittwochabend auf NBC neben »Scrubs«, »My Name Is Earl« und »The Office« zu etablieren; die erste Staffel erscheint wohl irgendwann auf DVD und sollte anschließend in keiner Sitcom-DVD-Sammlung fehlen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ei Gude, Nancy Faeser!

Ei Gude, Nancy Faeser!

Als Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl stellen Sie im Wahlkampf wöchentlich eine weitere Verschärfung des Asylrechts in Aussicht, um bei Ihren stockkonservativen hessischen Landsleuten zu punkten. Das Dumme ist nur, dass Sie damit bis jetzt bei Ihrer Zielgruppe nicht so recht ankommen. Der sind Sie einfach zu zaghaft.

Da hilft nur eins: Klotzen, nicht kleckern! Ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hat es doch vorgemacht und sich über die Abschiebung von 69 Afghan/innen an seinem 69. Geburtstag gefreut! Das haben alle verstanden. Tja, Ihr 53. Geburtstag am 13. Juli ist schon rum, die Chance ist vertan! Jetzt hilft nur noch eins: gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Thilo Sarrazin!

Und flankierend: eine Unterschriftensammlung gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die es Migrant/innen erleichtert, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, ohne die eigene aufzugeben. Für Unterschriftenaktionen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sind die Hess/innen seit jeher zu haben (»Wo kann ich gegen die Ausländer unterschreiben?«). Und dass Sie damit gegen Ihren eigenen Gesetzentwurf agitieren – das werden die sicher nicht checken!

Darauf wettet Ihre Wahlkampfassistenz von der Titanic

 Sind Sie sicher, Rufus Beck?

Im Interview mit Deutschlandfunk Kultur zum 25. Jubiläum des Erscheinens des ersten deutschsprachigen »Harry-Potter«-Buchs kamen Sie ins Fantasieren: Würde Harry heutzutage und in der echten Welt leben, dann würde er sich als Klimaschützer engagieren. Er habe schließlich immer für eine gute Sache eingestanden.

Wir möchten Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass Harry Potter ein Zauberer ist, sich folglich gar nicht für den Klimaschutz engagieren müsste, sondern ihn mit einem Schnips obsolet machen könnte. Da allerdings in sieben endlos langen »Harry Potter«-Bänden auch keine Klassenunterschiede, Armut oder gar der Kapitalismus weggezaubert wurden, fragen wir uns, warum Harry gerade bei der Klimakrise eine Ausnahme machen sollte. Aber wo Sie schon so am Fabulieren sind, kommen wir doch mal zu der wirklich interessanten Frage: Wie, glauben Sie, würde sich Ihr Kämpfer für das Gute zu Trans-Rechten verhalten?

Hat da so eine Ahnung: Titanic

 Puh, 47jährige,

bei Euch läuft es ja nicht so rund gerade. »Nur mit Unterhose bekleidet: 47-Jähriger flippt an Trambahn-Haltestelle aus« müssen wir pfaffenhofen-today.de entnehmen. InFranken meldet: »143 Autos in vier Jahren zerkratzt – 47jähriger Verdächtiger wurde festgenommen«, und schließlich versaut Rammstein-Ekel Lindemann Euch noch zusätzlich das Prestige. Der ist zwar lang nicht mehr in Eurem Alter, aber von dem Lustgreis ist in letzter Zeit dauernd im Zusammenhang mit Euch die Rede, weil er sich als 47jähriger in eine 15jährige »verliebt« haben will.

Und wenn man sich bei so viel Ärger einfach mal einen antrinkt, geht natürlich auch das schief: »Betrunkener 47-Jähriger landet in Augustdorf im Gegenverkehr«, spottet unbarmherzig lz.de.

Vielleicht, liebe 47jährige, bleibt Ihr besser zu Hause, bis Ihr 48 seid?

Rät die ewig junge Titanic

 Du, Krimi-Autorin Rita Falk,

bist mit der filmischen Umsetzung Deiner zahlreichen Eberhofer-Romane – »Dampfnudelblues«, »Sauerkrautkoma«, »Kaiserschmarrndrama« – nicht mehr zufrieden. Besonders die allerneueste Folge, »Rehragout-Rendezvous«, erregt Dein Missfallen: »Ich finde das Drehbuch unglaublich platt, trashig, stellenweise sogar ordinär.« Überdies seien Szenen hinzuerfunden worden und Charaktere verändert. Besonders verabscheuungswürdig seien die Abweichungen bei einer Figur namens Paul: »Der Film-Paul ist einfach ein Dorfdepp.«

Platt, trashig, ordinär – das sind gewichtige Vorwürfe, Rita Falk, die zu einer vergleichenden Neulektüre Deiner Romane einladen. Da fällt uns übrigens ein: Kennst Du die Geschichte vom Dorfdeppen, der sich beschwert, dass der Nachbarsdorfdepp ihn immer so schlecht imitiert?

Wär’ glatt der Stoff für einen neuen Roman!

Finden Deine Trash-Flegel von Titanic

 Sakra, »Bild«!

Da hast Du ja wieder was aufgedeckt: »Schauspieler-Sohn zerstückelt Lover in 14 Teile. Die dunkle Seite des schönen Killers. Im Internet schrieb er Hasskommentare«. Der attraktive, stinknormal wirkende Stückel-Killer hat Hasskommentare im Netz geschrieben? So kann man sich in einem Menschen täuschen! Wir sind entsetzt. Dieses Monster!

Indes, wir kennen solche Geschichten zur Genüge: Ein Amokläufer entpuppt sich als Falschparker, eine Kidnapperin trennt ihren Müll nicht, die Giftmischerin hat immer beim Trinkgeld geknausert, und das über Leichen gehende Hetzblatt nimmt’s gelegentlich mit der Kohärenz beim Schlagzeilen-Zusammenstückeln nicht so genau.

Grüße von der hellen Seite des Journalismus Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Brotlose Berufsbezeichnung

Ich arbeite seit Jahren erfolgreich als honorarfreischaffender Künstler.

Jürgen Miedl

 Löffelchenverbot

Ich könnte niemals in einer Beziehung mit Uri Geller sein. Ich will mich einfach für niemanden verbiegen.

Viola Müter

 Tagtraum im Supermarkt

Irre lange Schlange vor der Kirche. Einzelne Gläubige werden unruhig und stellen Forderungen. Pfarrer beruhigt den Schreihals vor mir: »Ja, wir machen gleich eine zweite Kirche auf!«

Uwe Becker

 Kartoffelpuffer

Die obligatorische halbe Stunde, die deutsche Rentnerehepaare zu früh am Bahnhof erscheinen.

Fabio Kühnemuth

 Backpainer-Urlaub

Eine Thailandreise ist die ideale Gelegenheit, sich bei unzähligen Thaimassagen endlich mal jene Rückenschmerzen rauskneten zu lassen, die man vom Tragen des Rucksacks hat, den man ohne die Thailandreise gar nicht gekauft hätte.

Cornelius W. M. Oettle

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
21.09.2023 Köln, Comedia Max Goldt
21.09.2023 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
22.09.2023 Mainz, Frankfurter Hof Max Goldt
23.09.2023 Mönchengladbach, Theater im Gründungshaus Max Goldt