Humorkritik | Mai 2007
Mai 2007

Klärs Karikaturen
Aus Aschaffenburg schreibt mir der Kollege Achim Greser: »Eine der noch immer merkwürdigsten Erscheinungen unserer Kulturwildnis ist die politische Karikatur. Das Medium ist steinalt, aber nicht totzukriegen, seine Darbietungen sind augenfällig und populär, aber wirkungsarm und schnell vergessen. Kaum eine Tageszeitung glaubt, auf die politische Karikatur verzichten zu können. Die Zeichnungen sind Identifikationsmerkmale ihrer Blätter, und doch kennen nur wenige regelmäßige Leser die Namen der Zeichner. Das mag daran liegen, daß die Karikatur in der deutschen Nachkriegspresselandschaft ihre Möglichkeiten nie wirklich ausgeschöpft hat. Die alte Bundesrepublik hat lange nur symbolistische Zeichnungen hervorgebracht, die unter dem Einsatz einfachster zeichnerischer Mittel einen Leitartikel ersetzen wollten, letztendlich aber nicht mehr als redundante Schautäfelchen für Analphabeten lieferten. Die totalitär gedeckelte DDR-Karikatur war naturgemäß auch keine Bereicherung dieser Kultur.
Wie sieht es nun um die zeitgenössische Selbstdarstellung dieses Mediums aus? Was ist gut, was ist schlecht und wer wacht darüber? Im Gegensatz zu den uferlosen Preisvergaben im Literaturbetrieb kennt das karikaturistische Gewerbe jährlich nur zwei Auszeichnungen. Die Sächsische Zeitung aus Dresden vergibt im Herbst den ›Deutschen Karikaturenpreis‹ und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) im Januar in Zusammenarbeit mit dem ›Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa‹ den ›Deutschen Preis für politische Fotografie und Karikatur‹, genannt ›Rückblende‹. Bei der ›Rückblende 2006‹ wurde nun diese Zeichnung von Burk-hard Mohr mit dem 5000 Euro teuren ersten Preis ausgezeichnet:
Man möge sich erinnern: 2006 war das Jahr, in dem die Zeichnerbranche sich herausgefordert und bedroht sah durch den Karikaturenstreit über die in Dänemark erstveröffentlichten Mohammed-Karikaturen, das Jahr, in dem die Bundesregierung mit dem Kongoeinsatz der Bundeswehr die Remilitarisierung des Landes vorangetrieben hat, das Jahr der Erregungen über Fußball-WM, Vogelgrippe, Hartz IV, Papstbesuch etc. Die Konstituierung der großen Koalition, die offensichtlich in der preiswürdigen Zeichnung thematisiert wird, hat bereits 2005 stattgefunden.
Wie konnte es zu dieser eklatanten Fehlleistung, der Prämierung einer uninspiriert erkenntnis-, widerspruchs- und komikfreien Karikatur kommen, die noch dazu ursprünglich eine Auftragsarbeit für ein Plakatmotiv zur Feier des politischen Betriebs auf dem jährlichen Fest der Bundespressekonferenz war und eben keine Pressekarikatur?
Veranstalter des Wettbewerbs sind der BDZV und die Landesvertretung von Rheinland-Pfalz in Berlin. Der BDZV ist eine jener lobbyistischen Mitesserorganisationen, die das Berliner Regierungslager bevölkern und deren Repräsentanten nichts anderes im Sinn haben, als sich anläßlich immerwährender Buffetabräumveranstaltungen wechselseitig ihrer staatstragenden Wichtigkeit zu versichern. Oder ist schon mal jemandem eine Initiative oder Kampagne des BDZV aufgefallen, die sich etwa gegen das Tabakwerbeverbot richtet, das zahllose unabhängige Publikationen ruinieren wird? Oder eine Stellungnahme zur Zeitungskrise samt der damit einhergehenden Schicksale entlassener Journalisten? Gar ein Aufschrei gegen den rasanten Bildungsverlust und die allgemeine mediale Volksverblödung?
Dem Co-Partner des BDZV, der den Veranstaltungsraum und das Buffet zur Verfügung stellenden rheinland-pfälzischen Landesvertretung, steht ein gewisser Herr Dr. Karl-Heinz Klär vor. Ein Vertreter der alten Bonner Republik mit rheinischem Temperament, das gerne Unvereinbarkeiten so zusammenfügt, daß jeder etwas davon hat. Herr Klär ist ein jünger wirkender 60jähriger, ein bilderbuchhafter Repräsentant unserer politischen Klasse: korrekt gekleidet, gepflegter Teint, onduliertes Haar und Bärtchen. Seine Position als Hausmeister der Landesvertretung hat er sich als SPD-Mann erworben, der in jungen Jahren zum Mitarbeiterstab von Willy Brandt zählen durfte; vielleicht war er dessen Brotzeitholer.
Von politischer Fotografie hat er keine Ahnung, dafür hat er aber seine mit Fotografieexperten bestückte Jury. Von politischer Karikatur hat er gleichfalls keine Ahnung, erlaubt sich aber, die identische Jury in dieser Wettbewerbsfrage zu dominieren und die Preisentscheidung nach Gutsherrenart in seinem Sinn zu lancieren. Das ist traurig. Denn die politische Karikatur ist bei all ihrer Trostlosigkeit ein zu wertvolles demokratisches Medium, als daß man sie dem BDZV, der rheinland-pfälzischen Landesvertretung und dem ondulierten Haupt von Dr. Klär überlassen dürfte.«