Inhalt der Printausgabe
Juni 2006
Humorkritik (Seite 7 von 9) |
Buchstabensuppe |
Aus Hamburg schreibt mir Rocko Schamoni: »Wie entsteht ein guter Witz? Woraus ist er gemacht? Was sind das für Leute, die zu Hause sitzen und Witze erfinden? Warum machen die das bloß? Ich habe mich in der normalen Witzewelt nie zurechtgefunden: Frage nach dem Witzbedürfnis, Handlungsaufbau, Ankündigung der Pointe, Pointe, und dann bitte lachen. Mir fror regelmäßig die Visage ein, wenn mir jemand einen Witz erzählte. Mir selbst ging es bei komischen Situationen eher darum, eine verwirrende Situation herzustellen, ein vermeintlich interessantes Thema in den Raum zu stellen und mein Gegenüber damit zu konfrontieren. Die entscheidende Formel für mich heißt: Verzögerung der Pointe. Der zu Bewitzende ahnt dann zwar, daß er keinem ernsthaften Monolog lauscht, sondern sich auf der glitschigen Spur eines Gagsters bewegt – er weiß aber nie, wann, wo und warum die Patsche vom Himmel fällt. Sebastian Schulz ist diesem Prinzip gefolgt und bringt es, wie ich meine, in ›Buchstabensuppe‹ (www.huettenverlag.de) perfekt auf den Punkt. Als er mir sein Buch in die Hand drückte, wußte ich, daß ich hier keinen normalen Kriminalroman zu erwarten hatte. Wie er aber den Gag ansetzt, wie er die Auflösung verzögert, das finde ich, gelinde gesagt, genial. Ich habe mich während der ersten Seiten ziemlich gequält, habe durchgehalten, weil ich ja wußte, daß ich belohnt werden würde – und schon auf Seite 7 den ganzen Einsatz zurückgezahlt bekommen. Die folgenden 180 Seiten sind ein Traum. Ich brauche im Leben nichts anderes mehr als diese 180 Seiten. Eine derartige Frechheit ist mir selten begegnet. Ich verspreche Ihnen als Leser: Wenn Sie sich an die folgenden Regeln halten, werden Sie entweder lauthals lachen oder schwer genervt sein: Regel 1: Beginnen Sie ›Buchstabensuppe‹ vorne, lesen Sie niemals quer, blättern Sie nicht vor dem ersten Lesen herum! Regel 2: Erzählen Sie niemandem von dem, was Sie in dem Buch erfahren, sondern verschenken Sie das Buch und beobachten Sie den Leser bis zur Seite 7 – Sie werden Ihren Spaß haben! Versprochen!« |
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