Inhalt der Printausgabe

Januar 2006


Humorkritik
(Seite 2 von 7)

Neues zu Heino Jaeger
Das viel zu lange verkannte Jahrhundertgenie des hochkomischen Audiokünstlers und Zeichners Heino Jaeger wurde an dieser Stelle bereits mehrfach gewürdigt, ebensooft auf dessen Bewunderer unterschiedlicher Provenienz (von Hüsch über Loriot bis Henscheid) verwiesen und eine endlich angemessen breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit beschworen.
Erst nach Jaegers Tod in einem Bad Oldesloer Pflegeheim am 7. Juli 1997 waren Neuauflagen einiger seiner Hörstücke aus den 70er Jahren auf CD erschienen. Der beängstigend rührige Verlag Kein&Aber hat nun einen weiteren beherzten Anlauf unternommen, die bisher unzulängliche Wiedererwekkung des Meisterwerks voranzutreiben: »Man glaubt es nicht« lautet der Titel eines 480 Seiten starken Buches über Jaegers Leben und Œuvre, herausgegeben von Joska Pintschovius, langjähriger Freund und zuletzt Vormund des in den Achtzigern zusehends kränkeren Jaeger. Seine »erzählte Biographie« – subjektiv, einfühlsam, anschaulich – vermittelt erstmalig einen dichten Eindruck von Jaegers Existenz, die viel zu kurze Zeit wirklich vital gewesen war. Auf einer seiner letzten Werkausstellungen sagte Jaeger, auch in eigener Sache tragisch hellsichtig: »Das hätte ich gern zu meinen Lebzeiten erlebt.«
Der Mittelteil des Kompendiums besteht aus einem repräsentativen Querschnitt des Jaegerschen Schaffens: Farbtafeln seiner Bilder, Abbildungen seiner Radierungen, Zeichnungen etc. sowie seinen Texten, von vornherein schriftlich verfaßten, aber auch aus dem akustischen Werk transkribierten – letztere als Dokumentation durchaus dankenswert, wenngleich der nach Pintschovius profundeste Kenner, der Jaeger-Forscher und liebe Kollege Christian Meurer, richtigerweise bemerkt, sie laborierten »ohne die Unmittelbarkeit von Jaegers Verkörperung an beträchtlichem Substanzverlust«.
Überhaupt bekommt Meurer in seinem Essay zum Abschluß des Bandes das Mirakel und Mysterium des Faszinosums Jaeger an seiner Wurzel zu fassen: »Mit ihm trat nicht einfach ein Interpret phantasieangereicherter Sozialparaphrasen vor sein Publikum, sondern hier artikulierte – und imponierte – ein (…) Fremdkörper sein Weltgefühl – daß nämlich Existenz, sobald sie sich (…) irgendwie objektiviert, dies immer nur in Form ihres eigenen Popanzes tun könne (…): Nicht nur das ganze Jaeger-Kroppzeug, sondern von den tellurischsten Tiefen unterirdischer Erzfiberwindungen hinauf zu den exorbitanten Höhen luzidester Luftströmungswirbel, von den knallenden Luft-Gas-Gemisch-Explosionen in den Motorzylindern des kleinen Mopeds, mit dem er zeitweilig herumfuhr, bis zu Sänden, Salzen, Säuren und den sporadischen Spasmen von Spirochäten fernster Spiralnebel schlägt sich alle Wesenheit mit dieser merkwürdigen Erbsünde ihres Spottgeburt-Charakters herum und weist eben genau damit über sich hinaus.« Eben. Genau.
Ein wunderbar erhellendes Buch. Warum es ein Blinder Korrektur las, warum keinerlei Bild- und Textnachweise enthalten sind und nur ein einziges Konterfei des Protagonisten, bleibt wohl ewiglich im Dunkeln.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick