Inhalt der Printausgabe

Januar 2006


Brummen wo’s am schönsten ist:
Zuhause im Knast
TITANIC privatisiert den Strafvollzug und (fast) alle machen mit!
(Seite 3 von 7)


Der malerischste
Fluchtweg der Welt


Das Hünfelder
Schloß
Welche Unter­brin­gungs­möglich­keiten gibt es?
  • Keller
  • Garage
  • Kinderzimmer
  • Dachboden
  • Speisekammer
  • Wie das im Leben so ist: Man kriegt immer viel weniger raus, als man einzahlt. Nagels 5000 Wörter werden lediglich mit einem »Ich lege keinen Wert drauf!« verzinst, dann geht die Tür auch wieder zu. Ein schöner Anfangserfolg, der uns die Stufen, die neben-an zu Herrn H. führen, um so beschwingter erklimmen läßt. Herr H. ist ungefähr so alt wie Herr R. und in Tat und Wahrheit noch einmal ein Quant legerer gekleidet, nämlich in einer chicen Unterhemd-Unterbuchs-Kombi, weil er »gleich Besuch« kriegt – verständlich, daß man sich da fein macht und nicht über häßliche Dinge wie Strafvollzug im eigenen Wohnklo reden mag. Wieder hat Nagel umsonst antichambriert: Zum einen Ohr rein, zum anderen hinaus, jetzt weiß er wenigstens, wie es seiner Gattin geht.
    Endlich, ein Haus weiter, redet man mit uns. Frau F. in kittelschürzenunterstützter Violettoptik freut sich sofort über unseren Firmennamen: »Wir sind keine Trinker, hahaha!« Die gutgelaunte Hünfelderin hat deshalb auch eine ganz nüchterne Meinung zu JVA und Trallala: »Das Gefängnis stört mich nicht, aber das Umfeld! Überhaupt, wenn man jetzt ›Hünfeld‹ hört, dann klingt das gleich nach Terror, das zieht das Image der Stadt runter. Da will sich niemand mehr ansiedeln.« Die diskrete Unterbringung von Terroristen im Hundezwinger wäre da natürlich doppelt interessant: »In den Keller könnte man wen sperren, haha!«, und auch der Dachboden ist wohl frei, wie auch Herrn F.s alter Werkzeugschuppen. Aber für keinen der in unserem Katalog angebotenen Banditen hat das Ehepaar Platz: Weder für Josef Ackermann noch für Rudolf Heß, und für einen Kaugummiautomatenknacker wie J. Marschal schon mal gleich gar nicht. Lieber werden in typisch deutscher Manier die Probleme des modernen Strafvollzugs auf die Nachbarn abgewälzt: »Das Haus nebenan steht leer! Und fragen Sie doch mal im Neubaugebiet, da haben die Einliegerwohnungen mit extra Eingängen, und das Geld können die auch gut gebrauchen. Hier in der Straße wird das nix.« Wohl wahr. Und bevor sich Herr F. jetzt endgültig in Sachen Privatisierung in Rage und uns um Kopf und Kragen redet (»Privatisierung, Privatisierung! Ich bin da skeptisch, am Ende zahlt’s ja doch der Staat. Früher fuhr die Deutsche Bahn doch auch, da kam der Schaffner, wo wollen Sie hin?, ging alles, ging doch auch!«), gehen wir lieber mit.
    Und zwar mittenmang in die neoliberal schlanke Hünfelder Einkaufscity bzw. einen irgendwie Stoffladen mal Reinigung, wo die Besitzerin auf Nagels Vortragsmäander sofort mit echt rhönhafter Ablehnung reagiert: »Hier im Laden? Das geht nicht, das ist nur diese eine Etage, und die ist gemietet.« Und zuhause? »Ich hab ein Haus, aber das ist voll: Mann, Opa, Oma, Baby!« Und noch bevor JVA-Fotograf Hintner auch nur ein einziges Beweisfoto schießen kann, ist unsere exquisite Legende auch schon aufgeflogen: »Irgendwie glaub ich Ihnen das nicht«, lacht die spätjugendliche Stoffmamsell den Sicherheitsbeamten ins Gesicht, »ich komm mir echt ein bißchen verarscht vor!« Nagel reagiert wie ein Security-Vollprofi und hat die heikle Situation 1a im Griff: »Das wollen wir natürlich nicht, auf Wiedersehen!« Und gibt Fersengeld in großen Scheinen. Draußen ist laut Hintner natürlich mal wieder Hilfssheriff Gärtner an allem schuld, weil der sich, so Hintner, »zu leger mit dem Arsch auf die Theke« gesetzt habe, aber alles in allem ist unser Begehr wohl doch zu progressiv und hünfeldfern; jedenfalls die Businesswelt läßt sich nicht täuschen noch triezen. Und ruft lieber hinter unserem Rücken die Polizei, die fünf Minuten später und fünfhundert Meter weiter auch erscheint, als wir gerade bei Frau W. in der Gartenstraße rausgeflogen sind, woran laut Hintner ebenfalls Gärtner schuld ist, weil der sich, so Hintner, »hinter die Frau gestellt« habe, und das sei »schlecht«, da fühlten sich die Leute »nicht gut« usw.
    Egal, die beiden Beamten wollen wissen, was wir hier treiben, überprüfen die Personalien und bleiben freundlich; und machen uns aber keine Hoffnung, was den weiteren Einsatz angeht, ja lachen uns sogar so gut wie aus – gegen den strengen Skeptizismus der Rhönanrainer ist halt auch mit Herz und Handschellen nicht viel auszurichten, das wissen die beiden gegen den kalten nordhessischen Mittelgebirgswind jeansbehosten (!) Beamten längst; und wir ja jetzt auch.

    Hier kam dieser grünweiße Wagen, zwei nette Herren stiegen aus.


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    Aktuelle Startcartoons

    Heftrubriken

    Briefe an die Leser

     Waidmannsheil, »Spiegel«!

    »Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

    Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

     Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

    Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

    Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

    Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

     Sie, Victoria Beckham,

    Sie, Victoria Beckham,

    behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

    In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

     Anpfiff, Max Eberl!

    Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

    Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

    Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

     Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

    sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

    Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

    Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

    Gibt zu bedenken: Titanic

    Vom Fachmann für Kenner

     Man spürt das

    Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

    Leo Riegel

     Überraschung

    Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

    Loreen Bauer

     Teigiger Selfcaretipp

    Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

    Sebastian Maschuw

     Frühlingsgefühle

    Wenn am Himmel Vögel flattern,
    wenn in Parks Familien schnattern,
    wenn Paare sich mit Zunge küssen,
    weil sie das im Frühling müssen,
    wenn überall Narzissen blühen,
    selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
    Schwalben »Coco Jamboo« singen
    und Senioren Seilchen springen,
    sehne ich mich derbst
    nach Herbst.

    Ella Carina Werner

     Tiefenpsychologischer Trick

    Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

    Jürgen Miedl

    Vermischtes

    Erweitern

    Das schreiben die anderen

    Titanic unterwegs
    19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
    20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
    20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
    24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt