In jeder Disziplin, auch in der komischen, tauchen immer mal wieder Menschen auf, die es einfach drauf haben, und die es tun, weil sie es können wie kein anderer. Richard Pryor war so einer. Bei ihm paarte sich ein außergewöhnliches Talent mit hartem Eifer und großem Mut.
In Deutschland kannte man ihn nur als Schauspieler in meist mittelmäßigen Komödien, wie etwa jenen, in denen er mit Gene Wilder als taub-blindes Duo durch die Gegend stolperte. Doch obwohl er in fast fünfzig Filmen spielte, war die große Leinwand nicht sein Medium. Denn allein auf einer Bühne, nur mit einem Mikrofon bewaffnet, war Richard Pryor einer der ganz Großen. Wer wissen will, wie Stand-Up-Comedy im Optimalfalle aussieht, der besorge sich, wie auch immer, das Video »Live in Concert« aus dem Jahre 1979. Wie Pryor hier geschlagene 78 Minuten über die Bühne jagt, von einer hervorragenden Nummer zur nächsten springt, ohne daß man einen Übergang bemerkt, und dabei nie Tempo und Kontrolle über das Publikum verliert, ist die reine Pracht. Er besaß alles, was ein Bühnenkomiker braucht: Timing, Präsenz, komische Stimmen, Mimik usw. und darüber hinaus die große Stärke, das akribisch geschriebene und bearbeitete Material so zu präsentieren, als sei es ihm gerade erst in den Sinn gekommen.
Für Pryor gab es kein Thema, das er nicht in etwas Komisches verwandeln konnte, denn er kannte keine Trennlinie zum Privaten, kein Ungemach, das nicht in seine Shows eingebunden worden wäre. Aufgewachsen im Bordell seiner Großmutter, wurde er siebenjährig von einem Nachbarn mißbraucht, der ihn später nach einem Auftritt um ein Autogramm bat. Es gab kaum eine Droge, die er nicht genommen hätte, was zu mehreren Gefängnisaufenthalten, einem Herzinfarkt schon in seinen Dreißigern und einem Selbstmordversuch führte, bei dem er sich selbst in Brand steckte. Er war mit fünf Frauen siebenmal verheiratet und zeugte geschätzte sieben Kinder. Und über allem, leitmotivisch, der Rassismus, der sich durch seine ganze Karriere zog und mit dem er auf die gleiche offen-provokative Art umging. So pflegte er zu Beginn seiner Auftritte, wenn Teile der Zuschauer noch auf der Suche nach ihren Plätzen waren, zu verkünden: »I love it when white people come and find out that niggers stole their seats«, um darauf mit seiner »white man’s voice« das Entsetzen der Weißen über den vermeintlichen Sitzverlust nachzuspielen. Pryor war neben Bill Cosby, zu dem er eine Art Gegenpart darstellte, der große Türöffner für schwarze Komiker in den USA. Ohne ihn hätte es Eddie Murphy, Chris Rock und Dave Chapelle nie gegeben.
Richard Pryor starb Anfang Dezember 2005 65jährig nach zwanzig Jahren Multipler Sklerose (deren Auswirkungen er in seinen letzten Auftritten Anfang der 90er auch noch belacht hatte) an seinem zweiten Herzinfarkt. Und in den wenigen Nachrufen, die Deutschlands Presse zeitigte, wurden seine drei Grammys, die er für Mitschnitte seiner Stand-Ups erhielt, als Preise für seine »Musik-Alben« bezeichnet; oder gleich der ganze Mann als unpolitischer Zappelphilipp portraitiert. Und das war er nun zuallerletzt.
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