Inhalt der Printausgabe

April 2006


Die Guantánamo-Protokolle
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Immerhin hat die erklärte Fußballkanzlerin Angela Merkel irgendwelche sportpolitischen Schritte gegen den wg. Antisemitismus in der Kritik stehenden Iran kategorisch ausgeschlossen – mutig, wenn man bedenkt, daß sie in Teheran nicht einmal ins Stadion dürfte.
Besorgt stimmt in diesem Zusammenhang auch, daß das Fußballfest der Völker, wie Insider munkeln, zum Geldverdienen im ganz großen Maßstab benutzt wird: Nicht nur, daß der Weltfußballverband FIFA alles verbieten will, was nicht von den beteiligten Sponsoren produziert wird (Weizenbier, Leberkäs, Atemluft), auch ist die Eröffnungsveranstaltung dem Vernehmen nach daran gescheitert, daß die extra für diesen Anlaß angefertigte hydraulische Sondertribüne aus Gold und Elfenbein den Herren der FIFA um Sepp Blatter einfach nicht teuer genug war; und sich letztlich auch keine 1000 nackten Jungfrauen zum Champagnerausschank fanden. Und auch wenn man das infernalische Albtraumtheater von und um André Heller nicht vermissen wird, mögen kritische Geister da fragen, was das alles noch mit Sport zu tun habe – wir antworten: nichts, aber das hat das spastische Geholze von Robert Huth (Abwehr) ja auch nicht. Wie sich überhaupt der Eindruck einnisten kann, Weltverband und DFB hätten sich, was das ästhetische Gesamtkonzept angeht, rechtzeitig abgesprochen, wenn unsere Jungs schon so verworren spielen, wie das WM-Logo ausschaut; und das hosenfrei hampelnde WM-Maskottchen Goleo problemlos als sinngetreuer Simultanübersetzer von Gerhard Mayer-Vorfelder durchgeht.
Für einschlägige Absprachen spräche, daß ein Auftritt wie der in Florenz (0:2 nach sieben Minuten) vom Unterhaltungswert dem Versuch entspricht, eine simple Eintrittskarte für eines der WM-Spiele zu ergattern, bei dem man sich mehrfach durch eine entwürdigend orwellsche Kartenantragsprozedur kämpfen muß und dem Kartencomputer die Nummer seines Personalausweises, den Mädchennamen der Oma sowie alles, was man immer schon über Sex wissen wollte, zu übermitteln hat, nur um vier Wochen später eine durch keine unnötige Freundlichkeit gemilderte Absage zu erhalten: In beiden Fällen hilft nur höhere Ironiebegabung, zumal wenn ich dauernd von irgendwelchen Weibsbildern, kleinen Schwestern und Junior-Kreativdirektorinnen höre, die bei der Kartenzuteilung erfolgreich abgeschnitten haben – ein Skandal für sich. Kaufe ich etwa den Ticketmarkt für die nächsten Weltmeisterschaften in Rhythmischer Sportgymnastik leer? Was bringt denn eine Fußball-WM, wenn man nicht weiß, was Abseits ist?
Andererseits ist ja »die Welt zu Gast bei Freunden« (WM-Motto), und ich bin ja nicht die Welt; und möchte mit Mayer-Vorfelder aber auch rein gar nicht befreundet sein. Allein die ständige Sauferei, ich danke!
Wie sieht sie also aus, »meine« WM? Ins Stadion darf ich nicht, vor irgendwelche Sponsorenleinwände will ich nicht – bleibt also nur, sich mit irgendwelchen »Experten« aus der Angeber- und Schwätzliga (Thomas Gsella, J. Roth) vor Kneipen- und Privatfernsehgeräten zu installieren, die ständigen Stalingrade der deutschen Equipe vermittels möglichst übler Räusche abzufedern und sich im übrigen zu wundern, daß es auch mal vier Wochen ohne den lieben Kollegen Nagel geht. Denn der ist schlau und – macht sich nichts aus Fußball.


Groß war die Freude, als Deutschland vor sechs Jahren den Zuschlag erhielt: Klinsmann, Beckenbauer, Uschi Disl (v. l.)


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg