Inhalt der Printausgabe

April 2006


Humorkritik
(Seite 4 von 11)

Humoristischer Bummel
Wer gern wissen möchte, was ein Humorist ist, dem sei als geradezu penetrant mustergültiges Studienobjekt – zumal des vielbeschworenen englischen Humors – Jerome K. Jerome (1859-1927) empfohlen, dessen exquisiter Schelmenklassiker »Three Men in a Boat« (1889) auch hierzulande nicht unbekannt ist, wenn auch leider vor allem durch die 1961er Verfilmballhornung mit dem Gemütskomikertrio Erhardt/Giller/Kulenkampff.
Elf Jahre nach der erfolgreichen Themsen-Bootsfahrt ließ Jerome seine »Drei Männer auf Bummelfahrt« (Manesse) gen Schwarzwald ziehen. Das vom Erzähler J. rapportierte und – wenn ich korrekt informiert bin – erst jetzt auf deutsch vorliegende Resultat ist von bewährter Lustigkeit, weil den Bummelanten, bedingt durch sprachliche und ländersittenabhängige Mißverständnisse, die »Tücke des Objekts« (siehe dazu T itanic 2/06) und eine chronische Selbstüberschätzung, allerlei Kalamitäten widerfahren, die mit dem humoristischen Stilmittel der Selbstironie effektiv ausgereizt werden. Komiktechnische Belustigungsquelle ist des weiteren die Unter- und Übertreibung, die banale Ereignisse und eigentlich eher flaue Witzgrundlagen durch reihenbildende Running Gags aufwertet.
Kern der Jeromeschen Komik ist aber natürlich in erster Linie das Spiel mit dem Genre des Reise- und Abenteuerromans und vor allem mit xenophobischen Klischees, das Jerome auf die Spitze treibt, indem er seine drei Briten just das bedrohliche Deutsche Reich bereisen und dort erwartungsgemäß auf die Nationaleigenschaften Ordnungswahn, Pflichtgefühl, Sentimentalität und Humorlosigkeit treffen läßt; Eigenschaften, die sogar die Berliner Droschkengäule an den trüben Tag legen. Daß er dabei weder seine Helden noch die unheimlichen Deutschen bissig angeht, sondern auch in den satirischen Passagen versöhnlich und zu mildem Lächeln animierend daherkommt, eben das macht den Humoristen aus.
Der aber doch an Grenzen stößt: Als J. den Besuch einer schlagenden Verbindung und deren dumpfe Blutrituale schildert, vergeht dem wohlwollenden Gentleman die Heiterkeit, und es herrscht das blanke Entsetzen. Bei aller wohlgewogenen Leichtigkeit des wirklich vorbildlich amüsanten Buches: diese Passagen sind denn doch mit Abstand die eindrucksvollsten.




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt