Inhalt der Printausgabe

April 2006


Die Guantánamo-Protokolle
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  Inzwischen ist der ehemalige Müllwerker sichtlich gealtert
»Ich dachte, mein Schwein pfeift, und schrie: Wat wollt ihr denn getz ausgerechnet von mich?« Doch die Gegenfrage des frenetischen Ruhrgebietlers verhallte im Nichts. So wenig »Deutsch« offenbar sein Entführer und erster Geprächspartner verstand, ein tabakmalmendes Halbblut mit vierzig frischen Crackeinstichen in der Armbeuge, so wenig Englisch beherrschte andererseits Karl-Herbert Scham, ehemaliger Müllmann in Herten und bis heute ohne jede Ahnung, warum man ihn im Dezember 2003 nach Kuba transportierte. »Da steh ich mit die Kumpels anne Aschentönnekes, wir tun eine rauchen, plötzlich hält da neben uns so’n geiler Straßenkreuzer!«
Der Rest ist Geschichte; und Scham erzählt sie mit Tränen in den Augen: »Nix erzähl ich! Ein falsches Wort, und die spielen mich wieder stundenlang wat von die Toten Hosen vor – nachts, dat ich man bloß nich pennen kann.« Zum Glück gibt es die Verhörprotokolle; und wie alle liest man seine mit Entsetzen, auch wenn nun immerhin ein dolmetschender BND-Agent anwesend war:

Wann sind Sie hier ausgebrochen, und wie kamen Sie nach Deutschland? Hat Ihnen die Qaida geholfen?
Wie wat? Ausgebrochen? – Ich bin in Herten geboren und… welche Qaida? Meint der die Frieda? Aber wobei soll die mir geholfen haben? Mein lieber Herr Gesangsverein, mein Mütterken is 84!
Der Offizier möchte wissen, ob Gesangsverein eine Sektion der Qaida ist und seit wann du Sohn einer Hündin ihr angehörst. Er sagt, antworte, oder er sieht schwarz für dich.
Wenn hier einer schwatt sieht, dann ja wohl ich…
Wenn ich das übersetze, brauchen wir beide ein neues Gebiß.
Schwatt isser trotzdem. – Gibt’s hier einklich wat zu süppeln? Ich hab totalen Brand.
Der Offizier sagt, wat zu süppeln gibt’s für verdammte Bomben-Alis nur Cola, Fanta, Lift, Mineralwasser normal oder still, Tee mit/ohne Zitrone und Longdrinks je drei Dollar zur Happy Hour. Bier: Budweiser, Veltins, Grolsch, Jever, Rothaus und selbstverständlich alle irischen, Arschloch.
Kein Dortmunder Union?
Nö.
Dann Jever.
Two Grolsch and one Jever, please. – Der Offizier fragt, ob Dortmunder Union eine Sektion der Al Qaida ist und warum du deinen orangefarbenen Kombattanten-overall auch nach der geglückten Flucht anbehalten hast, fickender Mutterficker.
Wat fürn Over… – meint der etwa den Kittel? Aber dat hamwer doch immer an auf Schicht! Dat haben alle an in dem Laden!
Der Offizier fragt, wann und wo du diesen fickenden Ochsenscheiß von Laden zum letzten Mal gesehen hast und ob auch das Arschloch Chalid Scheich Mohammed bei euch war.
Gesehen? Vor drei Jahren natürlich! An dem Tag, wo ihr mich geholt habt! Kalid war aber nicht dabei, der fuhr doch immer die Schicht mit Pommes-Willi. Aber sagense mal… hab gar nicht gewußt, dat dat ’n Scheich is…


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick