Früher war nichts besser, schon gar nicht die Komik. Der Nimbus eines berühmten Namens wie zum Exemplum Juvenal übertrifft seine Texte bei weitem; auf 150 Seiten findet man heute keinen einzigen Anlaß mehr zum Lachen. Dazu ist dieser reaktionäre Stinkstiefel, rasende Spießer und römische Sittenwächter einfach zu spießig und reak-tionär. Juvenal, der sich den Bart fusselig schimpft (ihn graust es vor lesenden Frauen ebenso wie vor Juden, Griechen, Armen, Reichen und dem Rest der Menschheit), kann nichts als altmännerhaft poltern, mäkeln und stänkern. Einen solchen, nicht wenigstens durch sonderschöne Formulierungen verzierten Stiefel aber beherrscht heutzutage jeder halbbegabte Dutzendschreiber und Groschenpolemiker. Mit anderen Worten: Hineinlesen sollte man natürlich doch! Denn nur dann weiß man aus eigener Erfahrung, daß es sich nicht lohnt, hineinzulesen.
Letztes gilt auch für ein anderes Buch, das sogar ein gekröntes Haupt zum Verfasser hat: »Der Barthasser« des byzantinischen Ketzerkaisers Julian Apostata, der sonst nur dadurch bekannt ist, daß er die antiken Götter wiederhaben wollte. Weniger bekannt ist, daß er einen Bart im Gesicht hatte und auch ein wenig Humor besaß; der »Barthasser« soll eine Selbstparodie sein und eine Satire auf die glattrasierten Bürger von Antiochia, bei denen er sich eben dadurch unbeliebt machte, daß »ich einen Bart trage wie ein Ziegenbock, während ich mein Kinn doch glatt und zart haben könnte, so wie die hübschen Jungen und die Frauen allesamt. Ihr eifert ja noch im Alter euren eigenen Söhnen und Töchtern nach, mit eurem verwöhnten Lebensstil und euren verzärtelten Gewohnheiten« – schon wird es leicht säuerlich, und überhaupt riecht das Pamphlet ziemlich streng nach Moral. »Ihr meint, man müsse aus meinem Bart Seile flechten!« ruft er aus – und hat mit dieser hübschen Hyperbel schon sein komisches Pulver verschossen, der Rest wäre besser Schweigen statt Schreiben gewesen.
Andererseits ist bekanntlich alles wahr, auch das Gegenteil – und deshalb gibt es aus der Antike doch gute Komik, wenngleich nicht unbedingt dort, wo Komik draufsteht. So stieß ich eher zufällig auf die »Charaktere« des griechischen Universalgelehrten Theophrast aus dem vierten Jahrhundert v. Chr., der in diesem kleinen komischen Handbuch der Menschenkunde einen Haufen lächerlicher Typen und unangenehmer Zeitgenossen vorführt, vom Schmeichler über den Widerlichen bis zum »Oligarchischen«.
Da ist z.B. »der Gedankenlose«, der, »wenn er viel gegessen hat und nachts aufsteht, um auszutreten«, sich mit zwanghafter Folgerichtigkeit selbst schadet, denn unweigerlich -»verirrt er sich und läßt sich vom Hund des Nachbarn beißen«. Ebenfalls mit dem Hund hat es »der Abergläubische«, denn gewahrt er ein böses Omen, so »geht er heim, badet von Kopf bis Fuß, ruft nach einer Priesterin und läßt sich mit einer Meerzwiebel oder einem jungen Hund reinigen.« Und wer möchte schon »den Taktlosen« zu Gast haben? »Das Kind nimmt er der Amme weg, kaut ihm vor und füttert es selbst, und schmatzend gibt er ihm Kosenamen und nennt es ein ›Gaunerstückchen‹ des Alten. Beim Essen erzählt er, er habe Nieswurz getrunken und sich von oben bis unten gereinigt, und schwärzer als die -Sauce auf dem Tisch sei in seinem Stuhl die Galle gewesen.« Und »der Schwätzer« wird außer von Theophrast schon von den eigenen Kindern veräppelt, »die ihm sagen, wenn sie einschlafen wollen: Papa, schwätz noch ein wenig, damit der Schlaf kommt.«
Damit Sie hingegen wach bleiben, höre ich jetzt auf.
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