Inhalt der Printausgabe

März 2005


Humorkritik
(Seite 5 von 6)

Lacharbeitstagung
Wiewohl an dieser Stelle zu lesen war, daß Abhandlungen über Komisches regelmäßig im fadenscheinigen Gewand eigener humoristischer Beschlagenheit zu Gehör gebracht würden (TITANIC 12/04), mußte ich mich jetzt vom Gegenteil überzeugen lassen. Die Mitglieder des "Freiburger Arbeitskreises Literatur & Psychoanalyse e.V." hatten mich zu ihrer 29. Arbeitstagung "Lachen" eingeladen, so-zusagen als Autorität sui generis. Das Begleitheft gab gleich ganz schön an: "Die Psychoanalyse […] kann nicht nur Verläufe, Voraussetzungen und Wirkungen des Lachens unter-suchen, sondern auch psychische, somatische, kognitive, interaktive, kommunikative, ästhetische, soziale und historische Momente mitbedenken."
Ganz schön viel für ein Wochenende. Überhaupt schien alles unter dem Zeichen des Auseinandernehmens und Anders-wieder-Zusammenbauens zu stehen, was allein schon nicht unkomisch ist. Zunächst zersägte ein rumpelstilzchenhafter Germanist Sigmund Freuds "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten" vor dem überwiegend silberhaarigen Auditorium, wobei er "topische, dynamische, genetische, kommunikative, soziale und kulturale Aspekte" des Klassikers entdeckt haben wollte. Die sich an-schließende Diskussion nutzten die Lach- und Fachkräfte, um sich gegenseitig ihrer erstaunlichen Ortskenntnis auf der Wiener Landkarte des Lachens zu versichern.
Ein saarländischer Psychoanalytiker zergliederte dann "männliche Lachlaute" in "stimmlos grunzend", "stimmlos knarrend" und "stimmhaft schnarrend", wobei er jede Kategorie mit einem passenden Geräusch-Schnipsel aus seinem tragbaren Rechner illuminierte. Noch fragwürdiger muteten die "Selbstbewitzelung und ihre Funktion" übertitelten, diaprojizierten Gesprächstranskriptionen an. Zitat: "Bea: noch jemand _rÜebli::? Anni: ich hab zu wenig vitamin A: und bE. weil, du musst se ja mit bUtter essen. sonst is das vitamin A hehe ni(h)cht w(h)irksa(h)m." Sätze, die einem Arno Otto Schmidt zur Ehre ge-reicht hätten, sollten illustrieren, wann die Gesprächspartner sich des Lachens nicht mehr erwehren konnten: "Hohoho" als höhnisches Gelächter, "Hahaha" als normale Lachart und "Hehehe" als abgeschwächte Form.
Am nächsten Tag fiel endlich der Satz, der mir schon lange auf dem Herzen gelegen hatte: "Der ›Krug‹ wäre lesbar als Fetisch, als Phallus", wobei Heinrich von Kleists "Der zerbrochene Krug" (1807) neben Uwe Timms unbelachbarem Roman "Rot" (2001) auch schon das Zeitgenössischste der examinierten Literatur darstellte.
Die Lachtagung versäumte nicht nur, ein Gesamt-bild ihres mit "intellektueller Lust am Umgang mit Theorien" beackerten Objektes vorzuführen, sondern klammerte auch die Entwicklung des deutschsprachigen Humors der sagenwirmal letzten 100 Jahre aus. Schade eigentlich. Oder auch nicht. Ich jedenfalls halte es komiktheoretisch lieber mit Helge M. Weinrebe: "Ein Sender erzählt einem Empfänger einen Witz, und dieser reagiert mit Lachen oder Lächeln darauf."


    1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6   


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt