Inhalt der Printausgabe
März 2005
Humorkritik (Seite 3 von 6) |
Hoffnungsträger ahoi! |
Die amerikanischen Filmkritiker machen sich langsam Sorgen um die Qualität amerikanischer Komödien, die Produzenten sorgen sich eher um deren Attraktivität. Auf dem europäischen Markt sind die Erfolge mäßig. Speziell in Deutschland dominieren lokale Produktionen ("(T)Raum--schiff Surprise" vor "7 Zwerge") die Be-sucher-statistiken des Jahres 2004 mit Abstand. In Nordamerika finden sich immerhin vier komisch gemeinte Filme unter den nationalen Top Ten. Was sofort auffällt: Drei davon sind Animationsfilme. "Shrek 2" liegt auf Platz 1, deutlich vor "The Incredibles" und "Shark Tales". Echte Menschen finden sich auf der Bestenliste lediglich im zweiten Teil der Erfolgskomödie "Meet the Parents". Aber trotz der Starbesetzung (Ben Stiller, Robert De Niro, Dustin Hoffman, Barbra Streisand) ist der Unterhaltungswert von "Meet the Fockers" ("Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich") eher gering, behindert von einem Drehbuch, das ungeduldig auf nuancenlose Kontraste und deren rasche Enthüllung setzt: Die Focker-Familie wird schon bei ihrem ersten Auftritt als vollkommenes Gegenstück zu Robert De Niros CIA-Weltbild vorgestellt, und damit sind alle folgenden Peinlichkeiten programmiert. Ähnlich wie in der Fortsetzung von "Bridget Jones" werden die bewährten Gags aus dem ersten Teil meist nur unwesentlich variiert, und dies durch überzogenes Agieren meist zu ihrem Nachteil. Warum man gestandene Schauspieler wie De Niro und Hoffman chargieren läßt, als seien sie daherge-laufene Volkskomiker, bleibt rätselhaft und hinterläßt den unangenehmen Eindruck, die Stars ließen sich hinab auf ein Niveau, das beim Zuschauer vorausgesetzt wird. Nicht gut. Neue Komiker mit Blockbusterpotential sind dagegen in den letzten Jahren - seit Mike Myers und Adam Sandler - kaum mehr aufgetaucht. Steve Martin und Robin Williams spielen rein komische Rollen nur noch in Ausnahmefällen, Jim Carrey tendiert offenbar in eine ähnliche Richtung: Sein letzter Film "Lemony Snicket - Rätselhafte Ereignisse" ist eine erstaunlich stilsicher produzierte Kindergeschichte, in der Carrey als böser Count Olav sein Talent für melodramatische Zwischentöne eindrucksvoll unter Beweis stellt. Der Einfallsreichtum intelligenter Autoren und Regisseure wie der Zucker- oder der Farrelly-Brüder scheint erschöpft oder wird im gesucht grotesken Fach verschleudert. Ist der amerikanische Pessimismus also ge-rechtfertigt? Ich kann meine werweiß entsetzten Leser beruhigen: Nein, ist er nicht. Nicht solange in Amerika Filme wie "Die Tiefseetaucher" ("The Aquatic Life with Steve Zissou") produziert werden. Ein sehr privater Spaß - wessen Vorliebe für das Seemannsgarn des französischen Tauchveteranen Jacques Cousteau wir diese gelungene Stilübung verdanken, weiß ich nicht. Hauptverdächtiger ist natürlich der Regisseur und Mitautor Wes Anderson, doch womöglich ist es auch sein College-Kumpel und Co-Star Owen Wilson, der für den alten Franzosen schwärmt. Cousteau war bekanntlich ein Mann, der auf seinem Trawler "Calypso" herumgondelte und nur zum Abtauchen die Pudelmütze abnahm. Dementsprechend setzen auch Bill Murray als Captain Zissou und seine Mannschaft selbst zum Smoking ihre signalrote Deppenbedeckung nicht ab. Durchgehend ist auch die Ernsthaftigkeit, mit der sie ihr Ziel verfolgen: einen mörderischen Jaguarhai zu jagen und darüber einen erfolgreichen Dokumentarfilm zu drehen. Eine zartere Parodie war lang nicht mehr zu sehen. Murray kultiviert seine Kaspar-Hauser-Attitüde aus "Lost in Translation" sehr wirkungsvoll und pflanzt der Geschichte etwas versonnen Tragisches ein, das im Zusammenspiel von Owen Wilson als Zissous angenommenem Sohn, Anjelica Houston als Ehefrau, Jeff Goldblum als erfolgreicherem Konkurrenzunternehmer, Kate Blanchett als begleitender Journalistin und Willem Dafoe als Matrosen (!) stimmungsvolle Blüten treibt. Solang solche Filme in Amerika noch mit diesem detailverliebten Aufwand riskiert werden, muß uns nicht bange sein vor der Zukunft - dafür gibt es zumindest in meinem Alter andere Gründe genug. |
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