Inhalt der Printausgabe
Juni 2005
Humorkritik (Seite 8 von 8) |
Ernster Jünger? |
Nicht immer! Es wäre auch überraschend, wenn Ernst Jünger auf seinen unsubtilen Jagden nach Tiefsinn und symbolischer Bedeutung, der in seinen Büchern selbst Banalitäten feierliche Erkenntnisse abzugrübeln sucht (»In einer Erbsensuppe gibt es weder Zahlen noch Individuen mehr«, verkündet er z.B. in »Siebzig verweht«), niemals komisch ausgerutscht wäre. Wenn Jünger selber satirisch werden will, bleibt er zwar meistens matt: »Es gibt keine Diva, die so bewacht werden muß wie ein Rennpferd, das den Großen Preis gewinnen soll.« Aber just in dem Buch »Gläserne Bienen«, worin dieser Satz steht, findet sich weitaus Komischeres. Im Zentrum dieses utopischen Romans aus dem Jahr 1957, der ein heraufziehendes Zeitalter der Automation, Nanotechnik und täuschend echten Naturimitate beschreibt, steht ein abgetakelter Rittmeister, der sich auf Arbeitsuche zum weitläufigen Anwesen des genialen Erfinders und Konzernchefs Zapparoni begibt. Rund hundert Seiten leiert der Roman so vor sich hin, dann erblickt der Rittmeister im Teich des herrschaftlichen Parks plötzlich ein Ohr, ein abgeschnittenes menschliches Ohr. »Es gibt Menschen, denen der Genuß, ja schon der Anblick von Erdbeeren oder von Krebsen unzuträglich ist«, versucht der Rittmeister die Sache zu bagatellisieren: »Andere, wie ich zum Beispiel, können keine abgeschnittenen Ohren sehen.« Doch das lose Ohr läßt ihn nicht mehr los. »Ich suchte mir also zuzusprechen wie einem kranken Kind. Etwa: ›Abgeschnittene Ohren liegen auf jeder Autobahn.‹« Vergeblich, er kann sich nicht beruhigen: »Wer läßt wohl aus reiner Vergeßlichkeit ganz in der Nähe seiner Wohnung Ohren herumliegen?« fragt er rhetorisch, um zu antworten: »Es war kaum anzunehmen, daß man in den Zapparoni-Werken, obwohl in ihnen das Unmögliche möglich war, Ohren auf Vorrat hielt.« Endlich fischt der Rittmeister das Ohr aus dem Teich und erkennt, daß es künstlich ist, aber auch das bringt ihn nicht mehr ins Lot, denn: »Man macht nicht so leicht Ohren, wie man Kinder macht.« Sehr komisch, Herr Jünger! Der Rest des Buches ist dagegen der übliche Ernst. Lesen müssen Sie die »Gläsernen Bienen« also nicht. Das habe ich ja schon für Sie getan. |
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