Inhalt der Printausgabe
Februar 2005
Die Nacht des Markus Söder (Seite 2 von 2) |
Obwohl die Wiese baumlos war und die Pfadfinder, dem Verbot der Stadt Nürnberg wie dem Wortlaut der Geschichte gemäß, auf jedwedes offene Feuer verzichteten, gelang einem Fotografen dieser stimmungsvolle Schnappschuß
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Vor Jahrmillionen hatte es zur Geisterstunde bunt und quadrophon gebimmbammt, aber wann und wer denn eigentlich? Auch war es endlich tropisch heiß geworden, notierte Hupplmoser und versank in grashalmhohen Palmen, deren kokosnußgeschmückte Kronen seine nackten Füßen kitzelten. Herein! verbeugte sich der Sitzende, schob die viel zu dicken Ärmel seines Badeanzugs über die schweißnassen Ellenbogen und nahm erneut von Markus Söders wahrhaft hammerhaftem Pulver. Dann reiste er auf seinem Augenpaar nach Innen, fand Hieroglyphen auf der halbverdauten Bratwurst und las laut vor mit einer Stimme, die des Söders war: "Wir müssen uns auf unsere deutschen Tugenden zurückbesinnen: Das sind Fleiß, Leistungsbereitschaft, Disziplin, Höflichkeit und Pünktlichkeit. Das sind Erfolgsfaktoren für den internationalen Wettbewerb. Die Apo-Opas und Alt-68er haben deutsche Tugenden verschmäht und das Land in eine geistige Krise geführt. Das ist selbst im Fußball zu beobachten. Es hieß immer, die Deutschen seien nicht die besten Spieler, aber hätten über den Kampf zum Spiel und damit zum Sieg gefunden. Die Fähigkeit, sich im internationalen Wettbewerb durchzusetzen, fehlt heute in vielen Bereichen." Spiralförmig hatte sich der letzte Satz um Hupplmosers Kraushaar gedreht, bevor er, ein Geist zurück in der Flasche, in Söders Motorradhelm verschwand. Der ankerte auf Hupplmosers Schoß und fixierte ihn mit Söderaugen liebend. Durchs hochgeklappte Visier stieg auch pausenlos süßlicher Rauch aus, obwohl doch Söder, und Hupplmoser schluckte immer süffiger an diesem zarten Wunder, von Haschisch längst zu Speed und LSD gewechselt hatte. Der schrieb mit seinem Zeigefinger nun sandgelbe Worte in die Nachtluft und las ab: "abgeordneter, presse, vita, gallery, team - yeah, this is my topmodern homepage, ihr verkackten Schweinebauern! And look, Mädchen kann Yamaha fliegen!" Denn ein Brummbrumm war von irgendwo gekommen, aufstieg in den Himmel, malte sich über den Köpfen der Luchse zu einem Goya aus Kraft und Verzweiflung, aus elfhundert PS und Baumgartens Oliver (11), explodierte in der Luft und landete in Bayern: ein Aufprall, ein röchelndes Wimmern, dann Ruhe. Wissend verdrehte Söder die Augen und zog ein Tittenblatt aus seiner Manteltasche. "Sag du's, Schorschl. Öffne diesen Sternund lies!" Der Hauptfähnrich wußte es aber auswendig: "CSU-Generalsekretär Söder schlägt ein Ausgehverbot für Jugendliche unter 14 Jahren nach 20 Uhr ohne Begleitung eines Erwachsenen vor. Er will damit Verwahr-losung, Drogenmißbrauch und gestiegene Kriminalität unter Jugendlichen eindämmen. Eltern, die wiederholt ihre Kinder nach 20 Uhr alleine auf die Straße lassen, droht Söder mit heftigen Bußgeldern. Auch die Entziehung bzw. Einschränkung des Sorgerechts soll zukünftig bei wiederholter Vernachlässigung schneller erfolgen. Weiterhin spricht er sich für einen Stufenplan aus, wonach bei Vernachlässigung sogar die Sozialhilfe oder das Kindergeld gekürzt werden können. - Söder?" "Hauptfähnrich?" "Dir haben sie ins Rückenmark gefickt." "Ich hoffte, es wäre niemand dabeigewesen." "So kann man sich täuschen." "Was, Schorschl, soll ich tun?" "Diene Satan nicht länger, sondern dem Puttenpaar Liebe und Weisheit!" "Wie denn, o Bruder?" "Indem du die führende Hitler- und Judenvernichtungsstadt umbenennest in die Stadt allerheiligster Menschenrechte!" "So tat ich, Unkundiger." "Dann wiederhole es, Faulsau!" |
Stilleben mit Köter und Söder
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"Die Opfer des SED-Regimes dürfen auch 14 Jahre nach dem Fall der Mauer nicht in Vergessenheit geraten. Nürnberg als Stadt der Menschenrechte eignet sich besonders für eine Gedenkstätte." "Summa cum laude. Nun aber sage noch dies: Wie fandest du persönlich den Überfall tschetschenischer Mörder auf die Kinder von Beslan, gut oder nicht so?" Von links stampfte Mädchen heran. Erleichtert und doch grimmig gewahrten die Konkurrenten, daß er aus der Schadenssache quietschfidel herausgekommen war. "Melde mich zurück, Massa", salutierte das Polittalent und nahm ein neues Psychopilzchen. Zum Zeichen seiner Freude klappte Söder das Visier herunter und säuselte wie betend: "Die Kinder von Beslan haben sich auf ihren Schultag gefreut oder vor ihm ein bißchen Bammel gehabt. Sie haben sich am Morgen an die Hände ihrer Mütter und Väter geklammert und mit großen Augen ihre neuen Klassenkameraden begutachtet. Kinder besitzen eine unglaublich charmante Arglosigkeit, an unbekannte Dinge heranzugehen. Sie hinterfragen ihre Welt jeden Tag aufs neue." "Kruzitürken, Staubkorn, kretinöses!" Herzhaft hämmerte Hupplmoser dem vor ihm Liegenden auf den Helm. "Arglos hinterfragen... du - Ursuppe! Aber weiter!" "Ich weiß nicht, was einem Menschen im Laufe der Jahre widerfahren muß, um Kinder einsperren, quälen und auf sie schießen zu können. Es gibt keine Rechtfertigung für solche Taten. Und es gibt keine Strafe, die in uns eine Form fühlbarer Gerechtigkeit für ein solches Verbrechen erzeugt. - Aua!" Augenblicklich hatte Hupplmoser Schlagkraft und -frequenz erhöht: "Gerechtigkeit für ein Verbrechen... als Form fühlbar ... in uns... wie aber muß es heißen, Einstein? Gerechtigkeit für die Opfer? Rache fürs Verbrechen? Was wollte uns der Markus sagen, a: Kopf ab oder b: nichts?" - "b." "Und wie flüstert man also goldrichtig in der CSU? Verrat' es uns!" Vorfreudig warf Söder Pulver ein, erhob die Faust und trällerte: "Blöd, blöder, Söööder! Blöd, blöder, Söööder! - Huch! Schlimm, nicht wahr?" Mit tränennassen Augen glotzte die gewucherte Amöbe hoch zu Hupplmoser. Der tröstete sie wiegend: "Alles ist gut, Chef." Aber Söder schüttelte die Ohren. "Nichts ist gut. Wir brauchen eine Orientierung in der Erziehung und in den Schulen. Dazu gehört zum Beispiel Benimmunterricht statt Erlebnis- und Kuschelpädagogik. Es ist sinnvoll, auch über unsere nationale Identität und deren Symbole zu reden. Daher ist es wichtig, die Nationalhymne, aber auch die Bayernhymne zu lernen und zu singen." Wie auf ein Stichwort sammelten sich die Pfadfinder und bildeten einen Kreis um den Liegenden. "Tu es, Spastiker. Leg los!" Und mit einer Stimme laut und rein, daß die Himmelssternchen tanzten und sogar die Rentner in den Nachbarhäusern sich aus ihren Fenstern auf die Straße stürzten, hub Markus Söder hymnisch luftvoll an und sang in diese unvergeßliche Dezembernacht: "Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland! / Über deinen weiten Gauen walte seine Segenshand! / Er behüte deine Fluren, schirme deiner Städte Bau / und erhalte meinen, Söders, eminenten Superhau." Am nächsten Morgen hatte er aber alles vergessen. |
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