Inhalt der Printausgabe

August 2005


POLITIK IM SOMMER
Mensch Angie!
Biographische Schnappschüsse

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Angela Merkel wird, wie es aussieht, die erste Kanzlerin der Deutschen Demokratischen Bundesrepublik (Deutschland). Jeder kennt sie als disziplinierte, von Machtgelüsten zerfressene Ärmelschonerin und femme banale, aber was ist Angela Merkel privat? Bzw. wer (wie)?


Als Angela Dorothea Merkel am 17. Juni 1954 in Hamburg geboren wird, sieht sie aus wie aus dem Feuerwehrteich gefischt. Die Eltern nehmen es mit Fassung und danken Gott trotzdem. Angelas Vater ist evangelischer Pfarrer, ihre Mutter seine Frau und eine miserable Köchin. "Von meinen Eltern habe ich viel gelernt", wird sich Angela später erinnern. "Das Kochen von meiner Mutter und daß gegessen wird, was auf den Tisch kommt, von meinem Vater." Noch im Jahr von Angelas Geburt zieht die Familie in die Walachei/DDR.

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In der Schule tut sich Angela Kasner, wie sie sich damals nennt, durch gutes Wissen in den Fächern Diverses und Sozialismus hervor, kann aber auch gut mit zwei Fingern gleichzeitig in der Nase bohren, bis es blutet. "Der Konflikt mit der Staatsmacht war hier praktisch schon vorprogrammiert", behauptet die versierte Dialektikerin noch heute (geschwindelt).

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Mit zwölf erfolgt ordnungsgemäß der Eintritt in die Pubertät. Angela verliebt sich unsterblich, weiß aber nicht genau, in wen. Zwei Wochen später ist alles aus und Angelas kleines Herz aus Stein zum ersten Mal gebrochen. Traurig schreibt sie in ihr Tagebuch: "Die Politik hat deshalb die Aufgabe, Rahmenbedingungen und Entscheidungsspielräume zu schaffen, die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, ihren persönlichen Lebensentwurf soweit wie möglich Wirklichkeit werden zu lassen."

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In der achten Klasse gewinnt Angela bei der Russisch-Olympiade eine Fahrt mit dem Freundschaftszug nach Nirgendwo (UdSSR). "Dawaisein war alles!" schmunzelt Dr. Merkel viele Jahre später und schwelgt in süßen Erinnerungen an Väterchen Stalin, das berühmte Moskauer Kaufhaus Harrod's und einen überraschenden Orgasmus auf dem Roten Platz. "Es war dann aber doch nur Sodbrennen" - sic transit Gloria Estefan…

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In der neunten Klasse aber: nichts.

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Nach dem hervorragend bestandenen Abitur reist sie mit dem Rucksack zur nächsten Konsum-Filiale: "Haben Sie keine Karena-Limonade?" - "Keine Karena-Limonade gibt's nebenan, wir haben kein Tüff-Rasierwasser!" Enttäuscht kauft sie keinen Fetzer-Schokoriegel. Weite Welt sieht anders aus…

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Ihren achtzehnmonatigen Ehrendienst an der Waffe leistet sie dann ohne Murren, obwohl sie gegen den Imperialismus eigentlich gar nichts einzuwenden hat. Als Flurfunkerin zeichnet sie sich durch hohe Einsatzbereitschaft und guten Gehorsam aus: "Der Genosse Erwin hat heute schon dreimal gewichst! Aber die Stiefel sind immer noch nicht blank!" Nach Ende ihrer Dienstzeit möchte sie gerne an die Ostfront, da stellt sich bei einer Routineuntersuchung heraus: Sie ist ein Mädchen! Ein Schock, zuerst, doch auch Erleichterung: Nie wieder muß sie sich wegen ihres extrem kleinen Kanonenröhrchens hänseln lassen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg