Inhalt der Printausgabe

April 2005


Humorkritik
(Seite 7 von 8)

Fabelhafter Äsop
Manchmal glaubt man ja, daß erst die eigene Generation das Lachen erfunden habe. Niemand weiß, ob schon der Cro-Magnon-Knilch Humor hatte oder es nur zum Ernstsein langte; die Strichmännchen auf den Felszeichnungen sprechen für beides. Fest steht aber, um auf bedrucktem Papier zu bleiben, daß viele alte Bücher, bei deren Lektüre sich die Leute einst vor Lachen be-eumelten, einen heute sanft einschlummern lassen; Fabeln z.B. Doch im 6. Jahrhundert v. Chr. waren sie vielleicht eine Erlösung für Leser, die bis dato mit Epen traktiert worden waren, in denen eine abgetakelte Kriegerklasse sich selbst beweihräucherte. Fabeln waren aus anderem Fleisch geschnitzelt: Sie handelten auf verrückte Weise vom gewöhnlichen Leben, sie waren in Prosa, also der Sprache des Alltags, und sie hatten tatsächlich Witz. Zumindest bei Äsop, dem Stammvater der Fabel, und zumindest manchmal.
Ziemlich komisch war doch schon, was er den Tieren und sogar Pflanzen alles an Fertigkeiten und Fähigkeiten andichtete. Ein Wolf spielt Flöte, ein Bock treibt sich auf einem Hausdach herum, ein Wiesel kommt in eine Schmiedewerkstatt und leckt an einer Feile, der verfolgte Biber wirft dem Jäger seine Geschlechtsteile zu, ein vorlauter Dornbusch mischt sich in einen Streit zwischen zwei Bäumen - willkürliche Vermenschlichungen, die den Lesern damals reichlich ulkig vorgekommen sein dürften, ebenso wie die lapidare Selbstverständlichkeit, mit der das alles mitgeteilt wird; ebenso wie mancher grobe, volkstümliche Spaß: Die Geschichte "Der Mohr" fabuliert vor zweieinhalbtausend Jahren davon, einem Neger die Farbe abwaschen zu wollen, denn der Käufer eines schwarzen Sklaven "glaubte, dessen Farbe komme von der Nachlässigkeit des früheren Besitzers, wandte alle möglichen Reinigungsmittel bei ihm an und versuchte, ihn in allen Bädern weiß zu waschen". Natürlich vergebens: "Die Fabel lehrt, daß die Eigentümlichkeiten eines Menschen so bleiben, wie sie am Anfang waren."
Und dann gibt es nicht nur en detail exzentrische Tiere, alberne Aktionen und eine mitunter nicht ganz stimmige Moral, sondern auch Texte, die komplett zum Wiehern, Blöken, Schnalzen sind - oder wie sagt man bei Kamelen? "Ein Kamel durchschritt einst einen schnell strömenden Fluß. In dem verrichtete es seine Notdurft, und als es seinen Mist vor sich auf der Strömung des Wassers sah, sagte es: ›Was ist das? Ich sehe ja das Hintere jetzt vor mir!‹ Die Fabel lehrt, daß oft die Verachteten die Angesehenen übertreffen."


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg