Inhalt der Printausgabe

April 2005


Humorkritik
(Seite 4 von 8)

Nette Nervensäge
Wie die DVD-Box "Didi der Untermieter" (Turbine Medien) auf meinen Schreibtisch gelangt war, weiß ich nicht mehr; warum es mich an diesem stürmischen Spätwintersonntag im Bademantel und mit einer Schüssel Cornflakes aufs Fernsehsofa zog, gleichfalls nicht; und warum ich dann aber stundenlang und gar nicht unamüsiert Didi-DVD guckte, schon eher.
Denn so zweifellos beschränkt das Repertoire des Dieter "Didi" Hallervorden stets war, so schaurig seine genuin satirischen Rohrkrepierer in "Hallervordens Spott-Light", so reichten doch drei Gesichtsausdrücke und das solide Drehbuch der britischen Genre-Profis Peter Vincent und Peter Robinson, eine Sitcom namens "Die Nervensäge" (1985/86, ZDF, aus irgendwie rechtlichen Gründen jetzt "Didi der Untermieter") als zwar "unterkomplexes" (Theweleit), aber, überraschend genug, keinesfalls langweiliges Unterhaltungsprogramm funktionieren zu lassen, das jedenfalls nicht schlechter ist als deutsche Situationskomödienware aus aktueller Produktion.
Hallervorden ist der Untermieter Willi Böck, der, stets pleite, mit großem Selbstbewußtsein und nicht ohne Raffinement seine Position als Hausgast zu verteidigen weiß; denn Wirtin Katharina (Rotraud Schindler, logo) wäre die Nervensäge, die ihr ständig die Miete schuldig bleibt, den Haushalt demoliert und Mütter, Griechen oder Pferde mit in die Wohnung schleppt, gerne los: dies der Plot, und der Rest eine Mischung aus Bauerntheater, Screwball für nicht ganz so gut Verdienende und tatsächlich einem Skript, das zwar stets den kürzesten Weg zum Gag einschlägt, aber so regelmäßig auch bei einem ankommt, daß schon die Gesetze der Wahrscheinlichkeit für eine ordentliche Ausbeute an Lachern sorgen.
Trixi, die Tochter des Hauses (hübsch unbeholfen dargestellt von Hallervordens Tochter Nathalie), will mit ihrem neuen Freund durchbrennen. Willi: "Junge Liebe ist was Wunderbares. Erinnert mich immer an Angelika! Sie war 19. Wir saßen auf der Bank hinter der Gasanstalt, hielten uns an den Händen, aßen Gummibärchen. Keiner von uns hatte einen Pfennig, aber wen kümmerte das schon!" Trixi: "Wann war denn das?" Willi: "Vorige Woche" - und ob ich jetzt so alt bin, daß ich einfach jeden Quark wegschaue, oder, wie üblich, mindestens ein bißchen recht habe, das soll der geneigte Leser an einem verregneten Frühlingssonntag bitte selbst entscheiden; und aber rechtzeitig für genügend Cornflakes sorgen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg