Inhalt der Printausgabe
April 2005
WAHLKAMPF AKTUELL "EKLAT AUF DER PRAGER STRASSE" (Seite 5 von 5) |
12.40 Uhr Obwohl der Rat sicherlich gut gemeint war, nehmen Hintner und Sonneborn lieber noch einen Doppelkorn. Leider hat der Bundesvorsitzende noch nicht gefrühstückt, und das macht sich jetzt langsam bemerkbar: "Ein kleiner Schnaps hier! Gegen die Kälte, die äh soziale Kälte! Und gegen den Bestand der Frauenkirche! Die wir zu zertrümmern gedenken, zu pulverisieren! Abzureißen, kaputtzumachen, ganz kaputt. Wir machen die platt!" "Was geht denn hier vor?" verlangt auch prompt ein Brillenträger mit teurem Schal Auskunft: "Erklären Sie mir bitte, was Sie hier überhaupt bezwecken mit dieser Aktion!" - "Wir sind die PARTEI…" - "Es gibt viele Parteien, welche sind Sie denn nun?" - "Wir sind die PARTEI. Die PARTEI, die alle anderen überflüssig machen will." Ernst verschränkt der Dresdner Demokrat die Arme über der Brust und doziert: "Eine Alleinherrschaft einer Partei kann doch nicht gut sein. Wo haben Sie denn gelebt? Eine Demokratie ist doch garantiert nichts Schlechtes! Das haben schon die alten Griechen gemacht und die Römer!" - "Garantiert nichts Schlechtes ist auch dieser Schnaps, nehmen Sie doch erst mal einen." - "Danke, nein, ich komme gerade vom Augenarzt…" - "Aber sehen können Sie uns schon?" - "Ja, sehr gut sogar!" - "Können Sie auch dieses Modell der Frauenkirche gut genug erkennen, um es beispielsweise mal mit diesem Hammer zu treffen?" Abwehrend hebt der Mann die Arme: "Nein, um Gottes willen, ich werde doch dieses Symbol nicht… Sind Sie Bilderstürmer? Haben Sie aus der Geschichte nichts gelernt?" Bevor die PARTEI das Gegenteil beteuern kann, drängt sich ein etwa 40jähriger Mann mit Ingo Appelt-Frisur dazwischen, wirft einen Blick auf das "Abriß jetzt"-Plakat und fragt: "Vom Mars? Kommen Sie vom Mars?" - "Nein, nur aus dem Westen. Aber Sie, Sie sehen aus, als ob Sie einen guten Hammer zu führen wüßten. Wollen Sie mal…?" - "Auf die Frauenkirche? Ja, sind Sie denn bekloppt? Niemals würde ich ein solches Symbol der Wiederauferstehung schlagen! Abriß wollen wir nicht, wir wollen Wiederaufbau!" - "Aber das ist doch ein Wiederaufbau-Abriß quasi, der Wiederaufbau der wunderbaren Ruine…" Kopfschüttelnd gehen die Männer ab. "Verstockte Menschen. Verstockt und dumm!" resümiert Generalsekretär Hintner. |
SIEHT HINTERHER IN DER TITANIC WIEDER GANZ TOLL AUS:
ganz tolle Aktion in Dresden |
12.53 Uhr Ein Felix Magath-Double mit rotschwarzer Regenjacke, das die letzten Worte mitgehört hat, drängt sich an den Tisch: "Die sind skeptisch, was? Soll ich mal?" Entgeistert schauen die Politiker den Mann an. "Ich bin in Dresden geboren, aber ich war von Anfang an dagegen, das wiederaufzubauen." Mit ruhiger Hand greift er den Hammer und schlägt so engagiert auf das Gipsmodell ein, daß der Doppelkorn fast von der Tischplatte springt. Mit schönem Erfolg: Als sich der Staub verzogen hat, sieht die Kirche aus wie 1945: Der Hauptturm ist komplett zerstört, und ein Splitter hängt im Auge der familienpolitischen Sprecherin Werner. Couragiert schlägt der Bilderstürmer noch einmal zu, zum Glück kann Tom Hintner die hüpfende Flasche erhaschen. "Tschüß, gern", macht sich der Randalierer aus dem Staub, "und viel Erfolg!" 13.00 Uhr Drei Studenten, die sich gern auf einen Schnaps einladen lassen, beschweren sich, daß "hier eigentlich nichts los" sei, hinterher in TITANIC "aber wieder alles ganz toll" aussehe. En passant wird ihnen erklärt, daß Politik nun mal über mediale Darstellung funktioniere und das bei Veranstaltungen anderer Parteien kaum anders laufe. Um ihnen immerhin noch etwas zu bieten, stellen sich die Spitzenpolitiker mittig in der Fußgängerzone auf und intonieren aus voller Kehle zweimal hintereinander das PARTEI-Lied: "Die PARTEI, die PARTEI, die hat immer recht…" Mit bemerkenswertem Erfolg, denn die Passanten zeigen nicht die geringste Reaktion. |
DAS SCHÖNSTE, WAS EINE KIRCHE WERDEN KANN.
Im Hintergrund: die scheußliche Kunstakademie |
13.25 Dresden, Frauenkirche Zum Abschluß der frostigen Aktion besuchen die vier Wahlkämpfer noch kurz die Frauenkirche: ein austauschbares Kirchenbauwerk, von der Ausstrahlung her kaum zu vergleichen mit der ehemals mahnenden Ruine, die von vielen Japanern nun vergeblich gesucht werden wird. Als zwei Bauarbeiter in Zimmermannskluft mit einem Kombi vom Gelände rollen, klopft Sonneborn an die Scheibe. "Wie lange würde das dauern, das hier wieder abzureißen?" - "Hm, kommt drauf an, wie man das macht, ob herkömmlich oder anders." - "Wie ›herkömmlich‹? Mit Bomben?" - "Nein, Bagger oder Stein für Stein." - "Die Steine müssen ganz bleiben, die brauchen wir für den Mauerbau." - "Vielleicht so zehn Tage…" Eine Frist, mit der man leben kann. 16.00 Uhr A4 Während in der Redaktion der Dresdner Morgenpost bereits der Anreißer für den Titel geschrieben wird ("Eklat auf der Prager Straße") resümieren die PARTEI-Spitzen: "Ein gelungener Auftakt für den NRW-Wahlkampf!" Georg Behrend / Martin Sonneborn
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