Inhalt der Printausgabe

April 2005


WAHLKAMPF AKTUELL
"EKLAT AUF DER PRAGER STRASSE"
(Seite 4 von 5)

12.05 Uhr
Drei Jungmänner schlendern um den Stand herum und äugen neugierig. "Wir wollen die alte Kirche dahinten wieder abreißen und die Mauer wieder aufbauen", erklärt ihnen der Bundesvorsitzende und drückt ihnen PARTEI-Flyer in die Hand: "Das ist eine total coole Aktion. Echt schnaffte!" Verlegenes Gekicher. "Dürft ihr eigentlich schon wählen?" - "Nein, noch nicht." - "Und im Oktober 2006?" - "Auch noch nicht ganz." - "Waaas?! Her mit unseren Flyern, ab in die Kita!"
HABEN GERADE "GAR KEINE ZEIT": Dresdner

12.10 Uhr
Ein älteres Ehepaar im pelzigen Partnerlook reagiert fassungslos auf den Vortrag des Wahlkampfleiters Behrend. Auch die Versicherung des Generalsekretärs, die "neue Mauer mit Steinen aus Dresden" werde "ja eben die Verbundenheit zwischen Ost und West zeigen. Und gleichzeitig auch die Trennung", kann sie nicht völlig beruhigen: "Wir werden darüber nachdenken - aber zuerst war das ein Schock für uns!" Nun, gerade auch ein Schock soll manchmal ganz heilsam sein…


12.18 Uhr
Ein farbenfroh gekleidetes Ehepaar mit Einkaufstüten rauscht am Stand vorbei.
"Guten Tag, wir sind extra für den Wiederabriß der Frauenkirche hier nach Dresden gekommen", ruft Sonneborn ihnen nach, "wie stehen denn Sie dazu?" - "Wir finden das super!" - "Oh! Und sind Sie aus Dresden?" - "Wir sind aus Zittau!" - "Und Sie stehen dahinter?" - "Ja, vollkommen. Immer wenn wir hier sind, machen wir einen Abstecher zur Frauenkirche und freuen uns, wie es weitergeht." - "Wunderbar! Schön, daß man auch mal positive Stimmen hört, vielen Dank!" - "Ihnen auch." - "Tschüß, wir machen das Ding wieder platt!" - "Ja, haha, tschüß!"
AN ALLEM INTERESSIERT: Spätgebärende

12.28 Uhr
Ein etwa 40jähriger Mann mit Spitzbart, Lederhut und Sonnenbrille schaltet sich ein: "Was den Wiederabriß betrifft, kann ich Ihnen folgende Empfehlung geben." Mit der Hand zeigt er die Straße hinunter. "Wenn Sie 30 Kilometer nach Osten fahren, die B6 ist das, da geht ein Weg ab nach links. Bei Arnsdorf, da ist ein großer Gebäudekomplex. Die können weiterhelfen." - "Ist das ein Abrißunternehmen?" - "Das ist die größte psychiatrische Klinik da, die können Ihnen helfen." - "Die haben Leute, die beim Abriß mit anpacken würden?" - "Nein, bei Ihrem Gedankengang. Wenn Sie solche Vorstellungen haben, da gibt's Medikamente. Für Leute wie Sie, die ohne Raumanzug zum Mond fliegen können. Da gibt's gut verträgliche Medikamente."


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt