Inhalt der Printausgabe
September 2004
How I simplified my life Ein Tagebuch aus den Zeiten der neuen Übersichtlichkeit (Seite 1 von 2) |
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3. August So geht's nicht weiter: Heute morgen in der Badewanne aufgewacht, weil ich gestern abend vor lauter Schmutzwäsche das Bett nicht mehr gefunden habe. Gut, daß die Badewanne in der Küche steht, so mußte ich nur über das Klavier und den Rasenmäher zum Schreibtisch klettern, um zu frühstücken. Bettina sagt, es sei kein Wunder, daß ich so unaufgeräumt sei, hier sei es ja schließlich auch unaufgeräumt. Frauen und Humor! | |
4. August Offenbar habe ich Abitur! Habe jedenfalls gerade entsprechendes Zeugnis in der Schallplattenhülle von "Dirty Dancing" gefunden. Komisch, dabei hatte ich die Urlaubsfotos vom letzten Jahr gesucht. Verwirrt nach herumfliegender Zeitung gegriffen, schöne Schlagzeile: "Willi Stoph zurückgetreten". Das wurde aber auch Zeit! Aus dem Haufen Schmutzwäsche kommen komische Geräusche. 5. August Bettina bringt mir ein Buch mit: Simplify Your Life - Einfacher und glücklicher leben von einem gewissen Werner Tiki Küstenmacher. Einfacher leben, wenn ich das schon höre! Das Leben ist nun mal kompliziert. Jedenfalls bei vier maßlos überzogenen Girokonten, einem kaputten Werkzeugkasten und fünf Sorten Frühstücksmarmelade, zwischen denen ich mich nie entscheiden kann. Mache im Bad erst mal Kaffee und hole mir gemütlich einen runter. Rechte Hand verbrüht. Glück im Pech: In der Hausapotheke finde ich meine "Fix und Foxi"-Sammlung und ein verschimmeltes Brötchen (Leberwurst?). 6. August Sitze im Bett fest: Heute morgen ist das Seil gerissen, an dem ich mich immer in den Flur gehangelt habe. Das einzige greifbare Buch ist Bettinas Simplify-Schinken. Hole mir (mit links) gemütlich einen runter und lese anschließend, wie einfach es ist, glücklich zu werden: Schluß mit dem komplizierten, mühseligen Alltag! Dieses Buch gibt Ihnen die erprobten Regeln des Vereinfachens an die Hand. So einfach und glücklich kann Ihr Leben sein! Schlafe ein und träume von einem einfachen, glücklichen Leben als Ziegenpeter oder Trilliardär. Werde unsanft von einstürzendem Geschirrstapel geweckt, anschließend Fernsehen ("Franklin: Räum endlich auf, du asoziale Sau!"). 7. August Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens! Bin fest entschlossen, alle Simplify-Regeln zu befolgen und Ordnung in mein Leben zu bringen. Regel Nummer eins: Ent-wirren Sie Ihren Arbeitsplatz! Beschließe, für den Schreibtisch die "Vier-Stapel-Methode" anzuwenden: Wegschmeißen, Wichtig, Weitergeben und Wurscht. Will die Sache noch weiter vereinfachen und reduziere auf zwei Stapel: "ungeöffnete Mahnschreiben" und "Liebesbriefe von Filmstars (USA)". Ergebnis: ein großer, übersichtlicher Stapel, den ich akkurat in den frisch angelegten Hängeregistraturordner "Nach meinem Tod zu öffnen" lege. | |
8. August Bin vom Ordnen durchaus begeistert, ent-wirre gleich nach dem Aufstehen die Küche: Sortiere die Lebensmittel im Kühlschrank nach "offensichtlich giftig" und "später prüfen", die Schnapsvorräte nach "sofort austrinken" und "auch ganz lecker" und schmeiße alles weg, was mir immer schon überflüssig vorgekommen ist: Putzlumpen, Hund, Salatschleuder. Das Wohnzimmer teile ich in die Bereiche Couch, Beistelltischchen, Fernseher und Lampe. Vorbei die Zeiten, als ich versuchte, das Sofa "anzuknipsen"! Das olle Ding gab eh nur ganz trübes Licht und verbrauchte viel zuviel Strom. |
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