Inhalt der Printausgabe

Mai 2004


TITANIC Telefon Terror
Ticktack, Brummbrumm, Plautz!
(Seite 1 von 3)

Der Terror ist in Europa angekommen. Aber wie geht der Deutsche (und seine Frau) damit um? Sind wir gerüstet, Attentäter zu entschärfen, Bomben festzunehmen, verdächtige Ausländer in die Luft zu sprengen? Eine längst überfällige Bestandsaufnahme an deutschen Telefonen in Ost und West...

 

FRAU MIELKE
"Hier bewacht jeder jeden!"

TITANIC Sonneborn vom Innenministerium. Wie hoch schätzen Sie die Terrorgefahr in Ihrer Gegend ein derzeit?
Mielke Also im Moment noch nicht so hoch.
TITANIC Auf einer Liste von eins bis sechs, eins steht für gar nicht und sechs für sehr hoch?
Mielke (abwägend) Ich würde sagen drei.
TITANIC Ist Ihnen schon mal etwas aufgefallen?
Mielke (bestimmt) Nein.
TITANIC Woran erkennen Sie einen Araber?
Mielke Na daran, daß er so'n Teil auf dem Kopf hat.
TITANIC Was für ein Teil?
Mielke Ich weiß nicht, wie das heißt.
TITANIC (rätselnd) Frisur?
Mielke Nein, so'n... Turban.
TITANIC Ach, na klar! Und woran erkennen Sie einen Terroristen?
Mielke An den Waffen, die er bei sich hat.
TITANIC Und woran erkennen Sie eine Bombe?
Mielke Am Sprengstoff.
TITANIC Alles klar! Gibt es jemanden in Ihrem Bekanntenkreis, der bei Halbmond schlecht schläft oder ausflippt?
Mielke Nein, nein!
TITANIC Gut, dann halten Sie weiter die Augen offen...
Mielke Hier aufm Dorf sowieso, hier bewacht jeder jeden! Und wenn ich was bemerken würde, das für mich auffällt, dann würde ich das hundertprozentig melden!

Rückzugsraum für gewalttätige Islamisten - von wegen! In Deutschland werden Terroristen und ihre Bomben locker erkannt, bewacht, bemerkt und gemeldet!


HERR MÜLLER
"Lautes Schreien. Und Schüsse!"

Müller Terrorgefahr? Ich würde sagen eine Zwei.
TITANIC Haben Sie verdächtige Personen bemerkt in letzter Zeit?
Müller (zögert) Nein, nicht.
TITANIC (streng) Sie zögern? Sie wissen, daß manche Leute auch verdächtig sind, weil sie so verdächtig unverdächtig wirken?
Müller Ja, aber da ist mir nichts aufgefallen.
TITANIC Woran erkennen Sie einen Araber?
Müller (überlegt) Bräunliche Hautfarbe, jo, stechender Blick. Und sonst? Turban um den Kopf kann er haben, muß aber nicht.
TITANIC Woran würden Sie einen Terroristen erkennen?
Müller Die erkennt man überhaupt nicht! Die wirklichen Terroristen sind so unauffällig, daß sie nicht erkannt werden können von einem Laien.
TITANIC Woran erkennen Sie eine Bombe?
Müller Wenn ich eine Bombe als solche erkenne, dann ist sie schon ein großer auffälliger Metallbehälter. Kann auch noch andere Bomben geben, aber da kenne ich mich nicht aus.
TITANIC Gibt es verdächtige Autos in Ihrer Straße, die in Richtung Mekka geparkt sind? So Ostsüdost?
Müller (nachdenklich) Nein, aber da hab ich nicht drauf geachtet.
TITANIC Wollen Sie mal gerade aus dem Fenster kucken gehen? Ich warte so lange.
Müller Ja, Moment. (Pause) Keine Gefahr, die stehen alle in ihren Park-taschen, so in Ost-West-Richtung.
TITANIC (erleichtert) Ein Glück! Wie würden Sie sich im Zug verhalten, wenn ein Araber Verwünschungen ausstoßend einen Rucksack in Ihr Abteil schleudert und wegrennt?
Müller Da würde ich Verdacht schöpfen! Ich würde den verfolgen oder die U-Bahn schnell verlassen, denn es könnte sich um einen Sprengkörper handeln.
TITANIC Und würden Sie den Rucksack mitnehmen, wenn Sie den verfolgen?
Müller Nein, den würde ich nicht anfassen, das wäre mir zu gefährlich. (Frauenstimme im Hintergrund: Was machst du denn da? Was soll denn das?)
TITANIC (irritiert) Wie belieben?
Müller (leiser) Ach, meine Frau sagt nur was. (Frau lauter von hinten: Was machst du denn da?!) Ich soll wohl Schluß machen.
TITANIC Es sind nur noch zwei Fragen.
Müller (nach hinten, zaghaft) Es sind nur noch zwei Fragen! (etwas fester) Dann führen wir das Gespräch noch zu Ende!
TITANIC Gut. Bei was für Geräuschen aus einer Nachbarwohnung würden Sie die Polizei informieren?
Müller Geräusche? Ja, lautes Schrei-en. Und Schüsse. Da würde ich Ver-dacht schöpfen. (Kreischen im Hintergrund: So ein teures Gespräch!)
TITANIC Sagen Sie Ihrer Frau doch bitte, das Innenministerium bezahlt das Gespräch. Ich kann's ihr auch selbst sagen, geben Sie mir Ihre Frau doch mal.
Müller Elsemarie, du wirst hier gewünscht. Das Innenministerium will mit dir sprechen. (Unverständliches Gekeife von hinten, Mann beruhigend:) Nein, wir brauchen das Gespräch nicht zu bezahlen, das machen die. Und man muß das Innenministerium auch mal unterstützen, wenn die Fragen haben.
TITANIC Also wenn Ihre Frau nicht möchte...
Müller (bedrückt) Nein, die möchte nicht, ich muß jetzt auflegen, Wiederhören.

So geht es natürlich nicht. Gerade in Krisensituationen darf in Gesprächen mit dem Innenministerium nicht nur aufs Geld geschaut werden. Beruhigend immerhin, daß Gefahr für Leib und Leben von Herrn Müller sicher erkannt wird; im Zug ebenso wie im heimischen Wohnzimmer.


FRAU EICHBERG
"Dann war BUUUAAHP!"

Eichberg ...aufgefallen ist mir nichts! Und wie so ein Araber aussieht? Ich denk, der sieht schon
körperlich anders aus. Durch seine Art. Und durch die Farbe.
TITANIC Die Hautfarbe oder die Kleider?
Eichberg Die Kleider, aber die Haut auch.
TITANIC Und würden Sie noch mal die Art beschreiben?
Eichberg (stockend) Schwerfälliger, hm, anders einfach.
TITANIC Und woran erkennen Sie eine Bombe?
Eichberg Ne Bombe? Also damit bin ich noch nie konfrontiert worden.
TITANIC (belehrend) Ja, darum überprüfen wir ja auch, wie die Bevölkerung sich eine Bombe vorstellt und ob sie die im Zweifelsfalle erkennen würde.
Eichberg Naja, das kann alles mögliche sein, das kann als Spielzeug getarnt sein, als Schmuck, in einer Uhr drin, überall!
TITANIC Schuhe?
Eichberg Schuhe auch!
TITANIC Küchenmaschine?
Eichberg Alles, alles!
TITANIC Sehr richtig! Und jetzt bringen Sie bitte diese typischen Terrorgeräusche in die richtige Reihenfolge: UUIIIIIIAH - BRUMMBRUMM -TICKTACKTICKTACK - BUMM! - TATÜTATAA.
Eichberg Das erste hörte sich so wie ein Pferd an. Dann war BUUUAAHP! Dann das andere wie ein Auto, BRUMM. Dann 'ne Uhr, TICKTACK, und dann das BUMM, das war wie so'n Knall und, ähm, TÜTATA, wie die Feuerwehr oder wie ein Krankenwagen.
TITANIC Und was glauben Sie: Welches Geräusch gehört da nicht rein?
Eichberg (zögert) Na, das Pferd, möchte ich sagen. Das Gewiehere, oder...
TITANIC Ähem, es sollte eigentlich, also es könnte sich auch um quietschende Reifen handeln. Oder halten Sie das für unwahrscheinlich?
Eichberg (nachdenklich) Doch, könnte auch sein.
TITANIC Gut. Welche Grundrechte dürften wegen des Terrors für kurze Zeit eingeschränkt werden?
Eichberg (langes Schweigen) Puh, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.
TITANIC (helfend) Grundrecht auf Demokratie? Müßte bleiben oder dürfte eingeschränkt werden?
Eichberg Könnte eingeschränkt werden.
TITANIC Recht auf freie Wahlen, Presse, Umziehen?
Eichberg (mißtrauisch) Sie meinen die Möglichkeit, wo man hinziehen möchte?
TITANIC Ja genau.
Eichberg (begeistert) Ja, das wäre ideal! Daß die nicht alle herziehen dürfen!
TITANIC (sinnlos) Und das Recht auf Nachschlag?
Eichberg Wie, Nachschlag? Sie mei-nen, daß man nachschlagen kann in Büchern, und daß man sich seine Auskunft von überall herholen kann? Das, finde ich, müßte bleiben!
TITANIC Gut, lassen wir so. Bei welchen verdächtigen Geräuschen würden Sie sofort die Polizei rufen: OMMM - HEIL HITLER - AMEN - ALLAHU AKBAR - ZWEI LAHMACUN BITTE.
Eichberg Na, wennse ALLAHMA rufen, denk ich mal, das hört sich schon so ein bißchen komisch, so christlich oder irgendwie arabisch an.
TITANIC Haben Sie in letzter Zeit verdächtige Araber gesehen? In den Nachrichten z.B.? Oder Extremisten?
Eichberg Nein, mir ist nichts aufgefallen

Keine verdächtigen Arabergestalten? Nicht mal in den Nachrichten? Langsam fragen wir uns, inwieweit wir den befragten Bürgern überhaupt trauen können.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick