Inhalt der Printausgabe
Juni 2004
Humorkritik (Seite 7 von 8) |
Scherzversuche zum Festpreis |
Handwerker mit unterdurchschnittlichem Talent und überdurchschnittlichem Geschäftssinn reüssieren in der Mittelalter-Weihnachtsmarkt-Kunstgewerbeszene;
Witzbolde mit ähnlichen Potential-Proportionen zieht's in die bildende Kunst. In Ausstellungen zeitgenössischer Kunst finde ich häufig Exponate, die nichts weiter sind als großformatig gepinselte, siebgedruckte oder sonstwie geletterte Witzeleien - und meist sofort zu Publikumslieblingen avancieren: bilden sie doch kleine Verstehbarkeits-Inseln im Meer von Nichtssagendem. Nicht zwischen Galeriewänden, sondern in der Ökofleisch-Imbißstube Bergmannstraße in Kreuzberg war's, daß ich der "Dump Art" Daniel Ginellis begegnete. Der 1961 geborene Berliner unterhält dort eine Dauerverkaufsausstellung. Zum Preis von je 19,90 Euro gibt's im DIN-A-4-Format gestaltete Collagen, die durchweg nach demselben Muster gestrickt sind; irgendein Produktpäckchen wird auf ein Foto gekleistert, das mit dem Markennamen in kalauerndem oder sonstwie assoziativem Zusammenhang steht: ein Maoam-Pack auf ein Mao-Bild; eine Elmex-Tube aufs Foto eines Mexikaners (sehrwitzigerweise wegen des "Mex"-Gleichklangs); ein schwarz-kraushaariger Neger wird liiert mit - raten Sie? Richtig: Schwarzer Krauser-Tabak; der pausbäckige W. Thierse mit Hamsterfutter; der Fugenkomponist J. S. Bach mit Fugendichter usw. usf. Mein Computer-Keyboard windet sich gequält, während ich Ginellis Scherzversuche eintippe. Ob dafür einer zwanzig Euro berappen mag? Die üblichen Witzankaufstellen à la Brainpool bestimmt nicht - Ginelli täte gut daran, sich andere Vertriebskanäle zu erschließen. Zu denen, Google zufolge, wohl auch traditionelle Galerien mitsamt ihren kurpfuschenden Kuratoren zählen. U.a. las ich in diesem Zusammenhang in einer Expertise, "Dump Art" thematisiere "sehr eindringlich unser Verhältnis zu Konsum und dessen Auflösung". Ach, wer da mitlabern könnte! Um mit Erbaulicherem zu schließen: Jüngst beim Besuch der "Condomeria" zu Freiburg i. Br. entdeckte ich zwei Gimmicks, die, zum Zirkapreis eines Ginellis, tatsächlich Witz bieten: erstens eine gut barbiegroße "Actionpuppe Sigmund Freud"; zweitens ein Paket revolutionären Haarwuchsmittels, das, wie die Packungsbebilderung dokumentiert, vereinzelte Haarinseln in flächendeckenden Bewuchs verwandelt - dadurch, daß es den Kopf auf Zwergenformat schrumpfen läßt. |
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