Inhalt der Printausgabe
Dezember 2004
Humorkritik (Seite 3 von 7) |
Vulgärschwein Catull |
Nicht unbedingt als komischer Dichter hat sich der alte Römer Catull der Nachwelt eingeprägt. Kein Wunder: Er ist gar kein komischer Dichter. Aber er ist auch nicht bloß der schmachtende Liebeslyriker, der vor Sehnsucht nach seiner "Lesbia" vergeht, oder der empfindliche Poet, der erstmals persönliche Erlebnisse zu bedichten wagte, sondern auch ein obszöner und vulgärer Versifex, dessen Schmutzverse im krassen Gegensatz zum gesitteten lateinischen Normalsprech stehen - und deshalb sind sie eben doch mitunter befreiend komisch. Von wegen römische Tugend und Zucht, Maß und Ordnung, Pflicht und Strenge! Catull schweinigelt und schimpft, lästert über eine "stinkige Hure" mit einer "Mopsvisage", spottet über des einen Freundes Sprachfehler und verhöhnt einen anderen Genossen, hat doch dessen "Maul anderthalb Fuß lange Hauer, / und wie ein Kutschkasten seh'n Zahnfleisch und Kinnladen aus; / doch erst sein Rachen: Der klafft so weit wie bei Hitze die Scheide / einer Mauleselin, wenn sie zu seichen beginnt." Aber Catull spendet auch einem Kumpel Trost, dem ein stinkender, gichtiger Alter die Freundin ausgespannt hat, und dann hört sich die berühmte Liebeslyrik des berühmten Liebeslyrikers Catull ungeschönt so an: "Stört einen je mit Recht der verfluchte Bock untern Achseln, / zwickt einen je mit Fug lähmender Podagraschmerz, / dann ist es, Allius, wunderbar, daß der Rival, der dein Liebchen / jetzt zu beschäftigen pflegt, beide Gebrechen vereint. / Denn so oft er ihr beischläft, ebenso oft straft er beide: / sie vergeht vor Gestank, ihn setzt das Podagra matt." Schade, daß Catull nicht viel mehr solcher Verse geschrieben hat. Denn die anderen, ganz anderen Gedichte haben ihn zwar berühmt gemacht, aber das sagt ja nichts über ihre Qualität aus. |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |