Inhalt der Printausgabe
August 2004
Humorkritik (Seite 8 von 8) |
Große Lach-Probleme |
Daß theoretische Texte über das Lachen i. a. nicht zum Lachen sind, daß "jede Erklärung des Komischen das Lachen darüber tötet", weiß auch der französische Historiker Jacques Le Goff, weshalb er diesen Satz denn auch in sein Buch "Das Lachen im Mittelalter" (Klett-Cotta) hineinschreibt. Und umgehend widerlegt: Seine Arbeit ist - wenn auch unfreiwillig - eine prima Wissenschaftssatire. Lang und breit erzählt uns der Autor, daß sein Thema sehr neu und wichtig sei, wie schwierig jedoch und am Ende dann weitgehend ergebnislos seine Untersuchung wäre, vielleicht weil "ich über das Stadium der Exploration zu diesem Thema noch nicht hinausgelangt bin", vielleicht wegen des "komplexen Zusammenspiels" diverser "großer Probleme" und ihrer "Heterogenität" - das übliche akademische Gefasel und Gespreize eben. Immerhin "bereits relativ genau untersuchen konnte" Le Goff zumindest "mit dem Lachen der Mönche (risus monasticus) im Hochmittelalter exemplarisch ein besonderes Thema". Exemplarisch! Als gäb's überhaupt was anderes zu untersuchen, denn allenfalls über die Komik beim Klerus (und gen Neuzeit auch beim Adel) gibt es irgendwelche Quellen. Wie, über was und ob überhaupt das gemeine Volk sich amüsierte, ist dagegen nicht überliefert. Doch selbst Le Goffs das christliche Gelächter betreffende Ergebnisse sind bescheiden: daß die Kirche im frühen Mittelalter Lachen als Teufelswerk verdammte, im Hoch-MA immerhin mönchischen Fach- und Spezialhumor tolerierte und zwischen erlaubtem und unerlaubtem Lachen unterschied oder daß sich ab dem 12. Jahrhundert ein weltlichhöfisches Lachen durchzusetzen begann, das dito reglementiert war: König Ludwig IX. von Frankreich etwa terminierte feste Wochentage für Lachen und Nichtlachen. Ob sich irgendwer daran gehalten hat, ist ebensowenig nachweisbar wie eine verifizierbare Antwort auf die Buch-Aufmacher-Frage "Hat Jesus gelacht?". Dennoch recht skurril, erbaulich und unterhaltsam das Ganze, wäre es nicht so ärgerlich, nein: unverschämt, daß uns Le Goffs karge Kenntnisse gleich vierfach eingebleut und repetiert werden: Denn das 128-Seiten-Büchlein besteht aus drei Exzerpten aus längeren Le Goff-Texten plus einem Nachwort, welches ein Drittel des Werkes ausmacht und alles noch mal wiederkäut. Das sich in Lach-Kursen und diversen Publikationen als In-Thema manifestierende Lachen wollte sich Klett-Cotta halt einfach nicht verkneifen. |
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