Inhalt der Printausgabe

August 2004


Humorkritik
(Seite 3 von 8)

Im Inneren der Pythons
Fanbücher sind meist trivial. Sie sammeln nutzloses Wissen über Stars und die Entstehung ihrer Arbeiten, publizieren Privatfotos und faksimilieren Korrespondenzen, die niemanden etwas angehen außer Absender und Empfänger. Zum Verständnis der Werke tragen sie nichts bei, ganz besonders nicht bei komischen Arbeiten, die zum Funktionieren einen gewissen Effekt brauchen, zu dessen Gelingen viel Wissen über Autoren und Werkgenese eher hinderlich ist.
Das macht es Büchern wie "Python über Python - Die Autobiographie von Monty Python" von Bob McCabe (Hannibal Verlag) schwer. Tatsächlich besteht auch dieser Prachtband von 360 Seiten und guten fünf Pfund Geburtsgewicht zu einem beträchtlichen Teil aus Informationen, die man am besten auf Partys zum Einsatz bringen kann: Schon gewußt, daß "Monty Python's Flying Circus" beinahe "Bunn Wackett Buzzard Stubble and Booth" geheißen hätte? Daß die BBC kurz davor war, die Bänder der Serie routinemäßig zu löschen? Daß die Pythons den amerikanischen Fernsehsender ABC verklagten und darauf bestanden, daß der "Circus" nicht ausgestrahlt werde? Und wußten Sie, daß Graham Chapman Schwerstalkoholiker war und daß er in seinen letzten, von Krankheit geprägten Jahren die restlichen Pythons ein ums andere Mal verklagen wollte? Bzw. hätten Sie das wissen wollen?
Nein, auf so manches Detail aus dem Innenleben einer genialen Komikergruppe hätte man gerne verzichtet. Doch sind es auch diese Details, die einen erhellenden Einblick in die Funktionsweise der Pythons gewähren. So homogen die Gruppe nach außen wirkte, so schwierig war es wohl, sechs krude Persönlichkeiten unter einen Hut zu bekommen. Da gab es "große" Pythons und "kleine", nämlich das Team Chapman/Cleese und den ganzen Rest, es gab Zweiergespanne, die sich bei den Vorstellungen ihrer Sketche gegenseitig mit Lachern unterstützen konnten, und Einzelkämpfer (Eric Idle und den Amerikaner Terry Gilliam), es gab starke Konkurrenz zwischen dem "Fernsehregisseur" Terry Jones und dem "Kinofilmregisseur" Gilliam, die als ewig hadernde Doppelspitze sowohl "Die Ritter der Kokosnuß" als auch "Das Leben des Brian" drehten, und es gab doch so viel Einverständnis, daß Humorparadigmen gesetzt wurden, die bis heute Gültigkeit haben (etwa der Pointenverzicht bei Sketchen), und zeitlose Erkenntnisse gewonnen (unter anderem die, daß Frauen in Filmen selten komisch sind und bei Comedy-Filmen oft nach einer Stunde die Luft raus ist); und natürlich entstanden einige der komischsten Filme, die bis dahin gedreht worden waren.
Bob McCabe hat für diese "Autobiographie" zahllose Stunden lang jeden einzelnen der Pythons interviewt, das so gewonnene Material durch bereits vorhandene Gespräche mit G. Chapman angereichert und thematisch-chronologisch geordnet; ein Kniff, der es erlaubt, an jeder beliebigen Stelle in das Buch einzusteigen, es von hinten nach vorne zu lesen oder anhand des umfangreichen Registers und zwischendurch auch noch die Foto-Schätze aus den Archiven von Michael Palin und Terry Jones, Auszüge aus ihren Tagebüchern und Gespräche mit David Sherlock, dem langjährigen Partner von "Gray" Chapman, goutieren zu können.
Fein auch, daß durch diese Technik so manches Geheimnis ungelüftet bleibt, denn die Aussagen der Pythons widersprechen sich teilweise nicht unerheblich. Chapman etwa behauptet, den Namen Monty hätten sie "mit sehr unangenehmen Agenten aus der Charing Road in Verbindung" gebracht, "und Pythons sind allgemein unangenehm"; Idle dagegen erklärt, "›Python‹ kam von John, der immer Tiernamen als Witz einsetzte, und von mir kam ›Monty‹, nach einem der Stammgäste in unserem Pub in Mappleborough Green", der ein echtes Original gewesen sei, und: "Der Name schien gleichermaßen unerhört und nett."


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg