Inhalt der Printausgabe

August 2004


Was ist heute noch links?
Eine wiederum unwiderlegliche Klärung von Thomas Gsella
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"Wir" nicht. "Wo bitte geht es nach links?" fragt, nach Gründung der SPD- und gewerkschaftslinksoppositionellen "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit", am 5. Juli gar auch kampfgeil Spiegel online und zitiert deren Forderungen. Es ist zum Weinen. Erhöhung von Spitzensteuersatz und Sozialhilfe, Grundsicherung, Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und des Zahnersatzes als Kassenleistung u.ä.m. - es bleibt halt nur Kosmetik dort, wo die Bedingung allen Reichtums als Bedingung aller Armut heilig bleibt: das "Kapitalverhältnis" (Martin Mosebach). Dabei wäre jenes "Einfache, das schwer zu machen ist" (Brecht) so schwer doch nicht; man müßte sie nur endlich richtiggehend planen, angehen und last not least und auch wenn's kreiseweise wehtut durchkloppen: die Expropriation der Expo, pardon: Expropriateure!
Eine meines Wissens französische Wendung aus der Zeit jener großen jakobinischen Party 1793ff., die von bürgerlicher Historiographie gern als Diktatur der Sansculotten, ja "Terror" apostrophiert wird, obwohl es grad mal 17000 Urteile sprich 40000 Geköpfte gab (Bergeron, Furet, Koselleck: Frankfurt 1969). Viel, siehe etwa Kambodscha/Pol Pot oder die täglich 20000 verhungernden Kinder, ist was anderes; und offenkundig tat die Party not. Der französische Historiker Albert Soboul: "Der Terror ist ein nationales und revolutionäres Abwehrmittel. Er bringt angesichts des immer wieder aufflackernden Komplotts die Abwehrreaktion und den Bestrafungswillen des Dritten Standes zum Ausdruck, allerdings vom Gesetz in Schranken gehalten. (Das Gesetz über den Großen Schrecken vom 22. Prairial II bleibt unverständlich, wenn man von den Mordversuchen an Collot d'Herbois und Robespierre absieht) … Die Schreckensherrschaft hat nur dort gewütet, wo die Konterrevolution mit Waffengewalt und durch offenen Verrat vordringt: wurden in Paris nur 15% der Todesurteile ausgesprochen, so waren es 71% in den beiden Hauptregionen des Bürgerkrieges, nämlich 19% im Südosten und 52% im Westen."
Daß 85% der Guillotinierten dem Subjekt der Revolution, dem Dritten Stand angehörten, aber nur 8,5% dem Adel und 6,5% dem Klerus: ups. Allerdings der französische Historiker George Lefebvre (Hamburg 1950): "In einem solchen Kampf wird den Überläufern weniger Nachsicht gewährt als den ursprünglichen Gegnern." Danke.
"Was" also "tun" (Lenin)? Zweiteilen wie früher? Okay, aber wen denn dann alles? Und hat's nicht, eingedenk des kategorischen Imperativs, einen eher schlechten Leumund? "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem andern zu" (Stoiber, München 1931) - doch stellen wir uns sie mal vor, jene kleine Sonnenbankkette in Minden/Westfalen! Zwei Lädchen, zehn Blondchen für 5e die Stunde, und was macht der Eigentümer? Der hat, man glaubt's ja oft gar nicht, noch sieben irreguläre Ukrainerinnen laufen in einem Puff auf Ibiza, sein Cabriolet ist von Chrysler, seine Uhr von Rolex, kurz: ein Arschloch wie aus Robespierres Strichliste. Gäb's ihn nicht, er würde keinem fehlen, und die Blondchen und Ukrainerinnen würden endlich selber "reich". Oder Stefan Raab. Sooo lustig ist der doch auch wieder nicht! Den Ackermann wird ja schon Hochhuth umnieten; die gleichbrutalen Ausbeuter oder jedenfalls höchst wackeligen Elemente Koch, Kirch, Kachelmann, Kerner/Beckmann, Kramer/Meermann, Karstadt, Bosch, Bush, Braun, Schwarzkopf, Rotbuch, Gremliza (kleiner Scherz), Pizza-Peter, Lidl, Aldi, Berlusconi, Sony, Christiansen, Papst, Otto Rehakles, Hakle feucht, Coca-Cola, Colgate, Krupp, Bohlen & Anders, Bohlen & Halbach, Pro Sieben, Griebenschmalz, die Warner-Studios, Uschi's Nagelstudio, die Schumacher und Kreuztaler Herzbuben: allesamt Kollaborateure, gar Alliterateure aus Stand zwei bis drei und potentielle Contras allemal! Buh!
An die Laternen also? Nein, war nur Spaß; Geköpfte, wußte schon der Dramenheld Danton, hängen schlecht. Bleibt die Frage: 40000 oder mehr? Legt man die seit 1793 geometrisch gestiegene Grundpopulation zugrunde, sollten es 700000 dann schon sein. Als "Hausnummer" also pi mal Daumen 700000, das kriegt man schnell zusammen. Die komplette Großindustrie und Handwerkerschaft, dazu unsympathische Vermieter, Zahnärzte und Anwälte, natürlich alle Banker, Werber, Gerber, Parteimitglieder, Manager, Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern, Lehrer und Zivis - schlimm, aber leider "noth-wendig" (Hegel). Denn was würde schon groß passieren? Natürlich würde die Gesellschaft zusammenbrechen, alles wäre kaputt, keiner müßte mehr arbeiten, auch Essen und Trinken, Licht und Strom, Geld und Geldschulden - endlich Vergangenheit!
Vive la révolution!


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg