Inhalt der Printausgabe
November 2003
Hinter den Kulissen: Stefan Gärtner (Seite 2 von 2) |
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"Sag mal, Stefan", hatte mich unser Aushilfs-Roadie Mark-Stefan Tietze im Sommer voll abgenervt gefragt, "warum sind unsere Gagen eigentlich neuerdings so niedrig?" "Weil wir seit April keinen Auftritt mehr hatten", hatte ich ihm megawitzig geantwortet. Aber er hatte natürlich recht: Für den letzten vierstündigen Gig hatten wir zusammen gerade mal 17 Euro ungrade gekriegt, und das war schon doppelt soviel wie bei dem davor. Sofort rief ich den Veranstalter an: "Seid ihr hammermäßig bescheuert, oder was?" "Beruhige dich erst mal, Stefan. Es ist alles korrekt abgerechnet worden: 10 000 Euro Garantiegage, abzüglich Sonderkosten." Wie? Was? Sonderkosten? Was für ein ungeiler Mega-käse war das denn? "Erzähl mir nichts vom Pferd! Was für Sonderkosten?" Der Veranstalter raschelte in seinen Papieren. "Also: ein halbes Schwein mit Sauerkraut und Riesenknödeln, ein extragroßer Internetcomputer mit Schnellzugang und Pornomodul, zwölf Jahrgänge Oldtimer aktuell, ein neues BMW-Getriebe plus..." Ich war am Ausflippen. Was war denn hier kaputt, ey? Jetzt rächte es sich, daß ich das Geschäftliche immer Oliver hatte machen lassen. "Laß mal, Stefan", hatte der immer gesagt, "das ist doch eh immer das gleiche: Mehrwertsteuer und Künstlersozialkasse und Bierhebesatz. Glaub mir, ich mach das, das läuft schon!" Und jetzt das: Sonderkosten! "Sag mal, du Freßsack! Wie lange hast du eigentlich geglaubt, mich so bescheißen zu können? So was Dummdreistes wie dich habe ich ja noch nie erlebt!" Oliver hatte sein alkoholzerstörtes Dementengrinsen im Gesicht, Mark-Stefan drehte sich bekifft schwankend eine Drum Lichte Shag. Ich drehte mich erst zu ihm: "Du kannst gehen! Du bist fristlos gefeuert! Mach deinen Scheiß in Zukunft woanders!" "Aber Stefan!" kam es jammerig retour. "Das ist doch jetzt total unlogisch, ich hab gerade mal ein bißchen Zigarettenpapier..." "Schmatz!" schaltete sich jetzt auch Oliver ein. "Das war doch alles schmatz ganz schmatz anders schmatz!, nämlich so und so und schmatz! Wir sind doch Freunde! Rülps! Tietze, kannst du mir mal ein Würstchen..." Diesmal ließ ich noch Gnade vor Sodbrennen ergehen. Aber was sich Oliver dann leistete, war endgültig too much. Ich war gerade aus dem Urlaub gekommen, als mir meine Lieblingsredaktionsassistentin Birgit Staniewski ein paar Zeitungsausschnitte auf den Schreibtisch legte.
Es waren die üblichen Schlagzeilen: "Gärtner und Nagel langweilen Erbacher zu Tränen", "Modern Joking von Michelstädtern aus dem Saal geprügelt", "Ausnahmezustand in Reichelsheim nach Gandhi-Hitler-Vergleich" - was ging denn jetzt schon wieder ab? Dunkel erinnerte ich mich, daß wir vor ein paar Monaten eine große Lesereise durch den Odenwald angeboten bekommen hatten. Ich mußte absagen, da ich bereits vier Wochen Langeoog mit Mutti gebucht hatte. Und tatsächlich waren auf den Zeitungsfotos auch nur Oliver und der bayerische Schauspieler Ottfried Fischer zu erkennen.
Ich war total baff: Hinter meinem Rücken hatte sich diese gemeine Megadrecksau Modern Joking unter den Nagel-Nagel gerissen und mit einem täuschend echten Gärtner-Double den Odenwald gerockt! Unseren Fans im Odenwald hatte er erklärt: "Der Stefan kann nicht kommen, der ist im Puff die Treppe runtergefallen", die Veranstalter mit dem Argument: "Wer da nun fett rumsitzt und die Pointen verhaspelt, ist ja wohl egal" ruhiggestellt.
Ich fand das so würdelos, so eine Vergewaltigung von Modern Joking, daß ich mich am liebsten an Ort und Stelle überfressen hätte. Was für ein unglaublicher Verrat! Für wie dumm hielt mich dieser Superpenner, diese schwanz-gesteuerte paralytische Nachgeburt einer aids-kranken Hyäne, dieser absolute Mega-Doofi eigentlich? "Du wolltest mich sprechen, Stefan? Ißt du den Kuchen noch, oder kann ich..." "Weißt du was, Oliver?" sagte ich ganz ruhig. "Schön, daß du da bist. Ich hab das gerade mit deiner Extratour durch den Odenwald erfahren. Das war jetzt definitiv das letzte Mal, daß du mich beschissen hast. Wir machen jetzt noch die nächsten vierzig Jahre Witze zusammen, und danach ist Schluß. Endgültig. Und den Kuchen kannst du haben." Das war das wahre Ende von Modern Joking. Am meisten leid taten mir dabei die Fans, die das alles so herzzereißend un-bewegt und gleichgültig, ja beinahe erleichtert hinnahmen. Für sie war das wie ein kalter Guß an einem megaheißen Sommertag, wie ein Schlag ins Gesicht eines superfiesen Zuhälters. Ich kann an dieser Stelle wirklich nicht behaupten, daß ich Oliver für die Zukunft alles Gute oder auch nur "Guten Appetit!" wünsche. Aber was ich mit hunderttausendprozentiger Sicherheit weiß: Es wird niemals wieder eine Diät geben, an der wir uns gemeinsam beteiligen. Ausgeschlossen. Mein guter Rat an Oliver zum Schluß: Solltest Du ein Angebot von "7 Tage 7 Köpfe" oder der TITANIC-BoyGroup kriegen, schlag sofort zu, bevor sie es sich anders überlegen können. Stefan Gärtner
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