Inhalt der Printausgabe

Mai 2003


Humorkritik
(Seite 6 von 7)

Sitcom? Britcom!

Über eine neue Form der Sitcom habe ich kürzlich sehr lachen müssen: Die Dokutainment-Parodie "The Office", die gerade in Großbritannien alle Rekorde bricht. "The Office" erzählt mit den Mitteln einer TV-Dokumentation die Vorgänge im Management des mittelständischen Papiervertriebs Wernham Hogg im südenglischen Slough: Die Geschäfte gehen schlecht, es droht die Zusammenlegung mit einer Schwesterfirma und dann natürlich die Entlassungswelle. Leider ist der Chef David Brent völlig unfähig, kann weder mit seinen Untergebenen umgehen noch mit seiner Vorgesetzten und hält sich irrtümlich auch noch für einen verkannten Comedian, obwohl er für seine "Scherze" stets peinlich berührtes Schweigen erntet - oder gar Heulkrämpfe, wenn er etwa zum Zwecke eines Practical Jokes das Empfangsfräulein "entläßt", weil es "Post it-Zettel gestohlen" hat. War natürlich nur "Spaß".
Auf Oneliner, Gags im herkömmlichen Sinne, verzichtet "The Office" dabei fast völlig, Komik wird hier anders erzeugt: Je peinlicher Brent wird, je verständnisloser die Sales Representatives sich angesichts seiner Auftritte ansehen, je quälender und länger er sich um Kopf und Kragen redet, desto größer wird auch die Spannung im Zuschauer, bis sie qua Gelächter abgebaut werden kann. An den komischsten Stellen muß man schier den Blick abwenden, so unangenehm berührt fühlt man sich. Und die Identifikation wird nicht nur durch den dokumentarischen Ansatz gefördert, sondern auch dadurch, daß beinahe jeder ähnliche Szenen, ähnliches kollegiales Verhalten - Büro, Büro - aus eigener Anschauung kennt. Geradezu philosophisch könnte man angesichts dieser Meta-Komik werden, die in ihren besten Momenten zu einem Umschlag der Komödie in die Tragödie führt, denn Brent ist nicht nur ein Albtraum von Chef, sondern auch eine tragische Figur, mit der man nicht erst Mitleid entwickelt, wenn sie ihrer finalen Entlassung mit hochnotpeinlichem Flehen um Weiterbeschäftigung begegnet.
Eine Meisterleistung der beiden "Office"-Erfinder Ricky Gervais (alias David Brent) und Stephen Merchant also, die nicht nur in England einschlug: Die Serie ist bereits mehrfach prämiert, hatte in England fünf Millionen Zuschauer, setzte schon mit der ersten Staffel unglaubliche 500 000 DVDs und Videos ab (die zweite erscheint demnächst) und ist bereits an über 60 Länder weltweit verkauft; ob auch an Deutschland, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Befürchten muß man wohl mindestens eine synchronisierte Fassung, wenn nicht sogar ein peinliches Remake. So bleibt vorerst nur die Empfehlung, sich möglichst eine DVD zu besorgen oder sich erst mal zu informieren unter www.bbc.co.uk/comedy/theoffice.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

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Das schreiben die anderen

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20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt