Inhalt der Printausgabe

Mai 2003


Humorkritik
(Seite 2 von 7)

Von Prinzen und Bettelknaben

Übersetzer klagen oft und zu Recht über ihr Los. Ihre Arbeit wird schlecht bezahlt und selten respektiert. Aber auch Leser haben Grund zur Klage. Viele Übersetzungen strotzen von Fehlern und unfreiwillig komischen Passagen. Einer meiner Favoriten: "These pictures wouldn't even work as mug-shots." Was mit "Diese Bilder könnte man nicht einmal auf Kaffeetassen drukken" übersetzt wurde, weil "mug" Kaffeebecher bedeutet; aber leider falsch ist, weil ein "mug-shot" ein Verbrecherfoto ist. Dieses Beispiel stammt aus der Fernsehserie "Melrose Place", aber bei Büchern sieht es heute nicht viel besser aus. Es gehört zu den Ironien der Geschichte, daß hinter dem Eisernen Vorhang hervorragende Übersetzungen entstanden, obwohl es dort schwierig war, westsprachliches Know-how zu erwerben und up to date zu halten.
1962 erschien der erste Band der zwölfbändigen Mark-Twain-Ausgabe des Aufbau-Verlags, Ost-Berlin und Weimar. (In den achtziger Jahren kam noch ein dreizehnter Band mit autobiographischen Texten hinzu; auch der ist zu empfehlen.) Herausgeber Karl-Heinz Schönfelder hatte jedem Band ein kenntnisreiches Nachwort spendiert. Zusammen ergeben die Texte eine gute Monographie. Zwar wurde in den Kommentaren Mark Twain zu einem größeren Freund der Arbeiterklasse gemacht, als er wirklich war, und auch seine Begeisterung für die Russische Revolution im Jahre 1905 dürfte geringer ausgefallen sein; aber an der Qualität der Auswahl ändert das nichts. Zur Verteidigung des Herausgebers sei außerdem gesagt, daß Schönfelder ohne Zugeständnisse - in der Zeit des Kalten und des Vietnamkrieges - den populärsten Humoristen der imperialistischen Hauptmacht kaum im Arbeiter-und-Bauern-Staat hätte herausgeben können.
Günter Klotz hat den ersten Band mit dem berühmten Springfrosch und anderen Erzählungen übersetzt. Die anderen Werke wurden von Ana Maria Brock, Otto Wilck und Lore Krüger übertragen. Die Prima inter pares ist Lore Krüger, die eine Huckleberry-Finn-Übersetzung hinlegte, die sich gewaschen hat (wie Huck Finn möglicherweise sagen würde).
Es wird oft gesagt, daß "The Adventures of Huckleberry Finn" eigentlich unübersetzbar seien; und immer wieder scheiterten Versuche, die vielfältigen Dialektformen angemessen ins Deutsche zu übertragen. Außerdem verwendet Twain viele bildstarke Verben, und auch dafür muß man Pendants finden. Wie der Autor sagt: "The difference between the right word and the almost right word is like the difference between a lightning and a lightning bug." Wörtlich: "Der Unterschied zwischen dem treffenden Wort und dem beinahe treffenden Wort ist so groß wie der Unterschied zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen." Aber damit gibt man nur den Sinn wieder. Der Satz ist eingängig, weil er mit "lightning (Blitz) - lightning bug (Glühwürmchen)" spielt. Man könnte es im Deutschen mit "Blitz" und "Blitzableiter" versuchen: "Der Unterschied zwischen einem treffenden Wort und einem beinahe treffenden Wort ist so groß wie der Unterschied zwischen einem Blitz und einem Blitzableiter." Das trifft den Stil genauer, entfernt sich aber vom Original. Doch ich höre auf, schließlich bin ich Humorkritiker, kein Übersetzer. Lore Krüger jedenfalls hat die treffenden Worte gefunden.
Nicht zuletzt sind die zwölf Bände sehr schöne Bücher: Oktavbände mit Leineneinband, die Typographie ist sauber und dem Auge angenehm, die Schutzumschläge ansehnlich von Elisabeth Shaw illustriert. Einziger Makel ist das nachbräunende DDR-Papier, aber das tut der Lesbarkeit keinen Abbruch. Über die Internetseite der Antiquariate (www.zvab.de) kann man versuchen, alle Exemplare dieser Werkausgabe zu beziehen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt