Inhalt der Printausgabe

März 2003


Wovon wir reden, wenn wir von Regen reden
(Seite 2 von 9)

Der Regen war über Nacht gekommen und wischte nun über die Fensterscheiben, daß es einem ganz behaglich werden konnte, wenn man rausguckte und zuhörte. Ich saß mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch, und Vicky, meine Frau, briet Eier mit Speck und pfiff dazu eine Melodie aus dem Werbefernsehen. Draußen war Montagmorgen. Ich rauchte und sah aus dem Fenster. Ich beobachte, wie Hank, unser Nachbar, in Schlips und Kragen aus der Tür trat und zu seinem schwarzen Buick ging. Er zündete sich eine Zigarette an und warf das Streichholz unter sich. Dann griff er in die Hosentasche und holte den Autoschlüssel hervor. Er besah ihn sich einen Moment und öffnete die Tür. Er setzte sich in den Wagen und ließ ihn rückwärts aus der Einfahrt rollen. Es schepperte. Hank stieg aus und stellte geschäftsmäßig die Mülltonnen wieder hin, außerdem das Kinderfahrrad, den Briefkasten, den Rasenmäher, den Blumenkübel, den Gartenzaun, den Briefträger, den Weihnachtsbaum vom letzten Jahr, die alte Mrs. Johnson von gegenüber und das Schaukelpferd. Dann half er seiner Frau aus dem Komposthaufen, stieg in den Wagen und war verschwunden. In solchen Momenten war ich froh, ohne Job zu sein, denn so nutzlos man sich als Arbeitsloser auch fühlt, so gut ist es doch, an einem verregneten Novembertag nicht vor die Tür zu müssen, wo der amerikanische Traum seit Jahren im Sterben liegt.
"Lisa hat sich letzte Woche die Pulsadern aufgeschnitten", sagte Vicky und stellte mir die Eier mit Speck hin. Lisa war ihre Großcousine aus Sacramento, die nach einem abgebrochenen Studium der Bürokommunikation in Tacoma kellnerte und ihrem Ex-Mann, der in einem Waisenhaus bei Longview als Scheißhausmeister arbeitete, regelmäßig ein paar Dollar schickte. "Der Postbote hat sie gefunden, als er ihr ein Einschreiben mit Geld von Tante Betty bringen wollte." Tante Betty war die ältere Schwester von Vickys Mutter. Sie war seit ein paar Monaten mit einem Nichtsnutz aus Wichita zusammen, der vormittags obszöne Aquarelle malte und am Nachmittag mit dem Luftgewehr auf Homosexuelle schoß. "Die Ärzte sagen, sie wird's schaffen."


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg