Inhalt der Printausgabe
März 2003
Humorkritik
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Ritchie Blackmore |
Eine spontane Umfrage unter Kennern und gut informierten Laien ergab, daß Ritchie Blackmore zu den unbeliebtesten Weltklassegitarristen zählt. Ein Mann, den man selten oder kaum bzw. manchmal so gut wie gar nicht lachen, geschweige denn lächeln sieht, muß wohl auf viele Konsumenten wie ein ausgemachter Stinkstiefel wirken. Erst in Didi Zills soeben erschienenem, grandios opulenten Bilderkompendium "Deep Purple. Fotografien" (Schwarzkopf & Schwarzkopf) kann man hie und da ein verhuschtes Grinsen, ein schüchternes Schmunzeln unter des Rockers undefinierbarer "Frisur" erkennen. Es gibt auch eine Fotosession von 1971, da lacht Ritchie Blackmore richtiggehend. Und einmal, 1985 auf der Bühne mit Ian Gillan, ebenso. Unglaublich. Nun gibt es seit einigen Wochen eine zusätzliche Argumentationshilfe: "Rainbow Rising. The Story of Ritchie Blackmore's Rainbow" (Helter Skelter) von Roy Davies. Keine Angst, darin wird nicht die grunddämliche Frank Zappa-Frage "Does humor belong in music?" am Hardrocker-Beispiel verhandelt. Aber wer sämtliche Konzerttermine und Bootlegs auswendig lernen möchte, kann damit gut üben. Auch die üblichen Tourneeanekdoten fehlen nicht. Und genau da wurde ich schnell fündig. Hier meine drei Favoriten: Am Ende einer Frankreichtournee läßt man auf Blackmores Geheiß Bookingagent Eric Thompson nackt über der Bühne baumeln. Während des ganzen Konzerts! Aus Japan wird berichtet, bei einem von Tony Careys langatmigen Keyboard-Intros habe sich die Restband demonstrativ Stühle auf die Bühne geholt und Zeitung gelesen. Viel besser aber ist der hier: Wieder in Frankreich, verkrümelt sich die Band, während Sänger Joe Lynn Turner seinen Singalong-Solospot hat. Sie kehrt aber nicht, wie sonst, nach fünf Minuten zurück, sondern verschanzt sich unerkannt im Orchestergraben und bewirft den Sänger mit faulem Gemüse. Dieser wirft zurück und beschimpft das Publikum als vermeintlichen Urheber in übler Form. Der Lynchtod blieb Turner wie durch ein Wunder erspart. Solcher Art sind Blackmores practical jokes - oft fungiert er lediglich als Anstifter für böswillige Hinterhältigkeiten, oft aber auch für harmlosen Quatsch: wenn er für jedes Hotel Nachschlüssel besorgt, um heimlich die mobile Zimmereinrichtung seiner Bandkollegen aus dem Fenster zu befördern oder als "Geist" für "Schrecken" zu sorgen. Ob Ritchie Blackmore also wirklich Humor hat, ist noch nicht zur Gänze entschieden. Spaß aber machte und macht er allemal. |
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