Inhalt der Printausgabe

Juni 2003


TITANIC erklärt die tagesschau


 


88 Prozent der Deutschen können laut Umfragen das komplizierte Fachchinesisch der Tagesschau (ARD, 20.00 Uhr) ums Verrecken nicht verstehen und fühlen sich schlecht informiert. Das komplizierte TITANIC-Fachchinesisch-Lexikon erklärt, was hinter den Nachrichtentexten wirklich steckt

Hier Wild vorkommendes, in Tagesschau-Texten häufig genutztes Umstandswort, meistens irgendwie oder irgendwo räumlich auf irgendwas hinweisend. Gleichwohl bleibt völlig unklar, wo "hier" überhaupt sein soll, worauf es sich bezieht. Auf das Hier und Jetzt? Das Hier und heute? Aber heute ist doch die Nachrichtensendung der Konkurrenz! Krasse Verwirrung pur schon beim ersten Wort.

Ist Nichts ist, wie es ist, weiß der gelernte Aporetiker, der übrigens mit dem Apotheker so wenig zu tun hat wie das öffentlich-rechtliche Nachrichtenfernsehen mit schneller, knackiger Information. Aber scheißrein, geben wir der alten Tante Tagesschau noch eine letzte Chance.

Das Das was? Das Nachrichtensendung? Das Riewajens? Das D-Wort mit drei Buchstaben? Schon sieben Sekunden rumpelt die noch immer prahlerisch den Opening-Tusch posaunende Newskiste vor sich hin, der infosüchtige Endverbraucher in Sachen Plattenseebus, Effenbergbuch bzw. Chinesenseuche tappt millionenfach ratlos im Dunkeln.

Erste Die ersten werden die letzten sein, wußten überraschend einstimmig sowohl Matthäus (19,30), Markus (10,31) als auch Lukas (13,30). Apostel Riewajens indes ist mal wieder der allerletzte: Längst zeigt das Zeiteisen 20:00:08, aber ob er oder überhaupt noch irgend jemand zum Nachrichtenhersagen jemals im Studio erscheinen wird, bleibt völlig offen. Deutsche Ist das notwendig? Tut das not, sämtliche "Zulueger" und "Zuseher" in den angeschlossenen südlichen Hinterwäldlerstaaten (SRG, ORF) derart zu brüskieren, ja nationalistisch-chauvinistisch einzuschüchtern? Wo sie eh schon ihre liebe Not mit dem Hochdeutschen haben? Kein Wunder, daß die Alpenkanaken längst weggezappt haben und lieber bei "GuZeSchleZe" (RTL) wegdämmern oder ihren angeborenen onanistischen Neigungen nachgehen.

Fernsehen Ist ja bekanntlich Radio mit Bild, TV mit Strom, eine tolle Erfindung, macht die Dicken dicker und die Dummen klüger. Den absoluten Nullblickern, Schwarzsehern und Blindverkostern hingegen schenkt Gerhard Schröders Lieblingsmedium die totale Nephelopsie: die allumfassende Sehstörung mit Wahrnehmung verschwommener, nebliger Bilder - außer blau gequirltem Pixelbrei ist auch jetzt noch immer nix zu sehen. Kein Effe, kein Wetter, nüschte.

Mit In Amerika denkt jeder: Massachusetts Institute of Technology. Bei uns daheim zu Haus vor den Fernsehkisten denkt längst keiner mehr, blickt niemand mehr durch. Womit, mit wem und mit was, das dürfen wir uns schon selbst zusammenreimen, während die Herrschaften Fernsehfritzen von unseren teuren Gebühren die Kantinenregale leerfressen und bratensoßentriefend um Nachtisch anstehen. Mit Nachschlag und mit Sahne, versteht sich.

Der Der ist gut, der mußte ja kommen - bestimmte Artikel sind effenberg, äh: offenbar keine Mangelware beim Herstellersender NDR. "Das" hatten wir ja schon, würde uns also nicht wundern, wenn schlußendlich auch noch ein "die" serviert werden würde.

Tagesschau Jetzt ist es endlich raus: Nachrichtenzeit! Der Tag soll geschaut werden, dabei sieht man ihn gar nicht, denn längst liegt der Abend in der Luft und Bruder Tag schon ratzend im Bette. Statt seiner sehen wir nun den geltoupierten Oberkörper des Riewajens, ein leeres Blatt Papier in den Onanierzangen. Er strahlt fesch und resch, schürzt die Schnute, "geht" auf "Sendung". Infowert bis hierhin: Tausend unter Null.

Guten sagt er. Schön und guten - aber was? Mittag? Appetit? Heimweg? Will er uns für dumm verkaufen?

Abend Das Fernsehen ist das schnellste Informationsmedium, heißt es. Doch reichlich spät ist es geworden, bis viele tausend ARD-Mitarbeiter endlich die "Hauptausgabe" der Tagesschau sendefertig haben. Bereits am frühen Morgen liegen doch schon die Tageszeitungen fix und fertig im Briefkasten, das Radio sendet rund um die Uhr Erbauliches und oft auch Interessantes, Menschen gehen zur Arbeit und kehren erschöpft zurück - nur die Damen und Herren Nachrichtenredaktoren lassen sich den lieben langen Tag Zeit, um ihre angeblich brandaktuelle Sendung fertigzubasteln.

Meine Fresse, trägt Riewajens jetzt auch schon Effenbergfrisur? Ist die in Hinterladerkreisen nicht längst schon wieder mega-out?

Damen Bei Riewajens immer wieder auffällig: Er begrüßt die Damen zuerst. Weil er die Homo-Gerüchte knüppeldicke satt hat. Deswegen teilte er unlängst und freilich ungefragt der Bild-Zeitung mit: "Michelle ist eine Granate im Bett." Weil er's aber nicht in der Tagesschau sagte, glaubte ihm keiner.

Und Klassische Verbindung zweier Worte, Satzteile, Informationen. Leicht verständlich, aber ohne jeden Infowert.

Herren Ja, auf die hat er's wohl abgesehen, auf die verständige, infogeile, analytisch beschlagenere Hälfte der Zuguckerschaft. Kein Problem, Riewa, wir sind bereit! Laß die News endlich rüberwachsen!

Die Na bitte! Na, sag ich's doch! Aber mit uns kann man's ja machen.

Nachrichten Ach - auf einmal? Nach all dem insipiden Gequatsche? Jetzt sollen uns zu schlechter Letzt auch noch Nachrichten aufgetischt werden? Oder doch nur wieder die Märchen und Räuberpistolen, die sich die Tagesschau-Schmieranten aus den Fingern gesogen haben, um damit gnadenlos Quote zu trommeln? Ma' ehrlich: Seit Jahrzehnten schon negiert doch die Tagesschau die sog. Medienvielfalt und setzt bis heute hartköpfig und vernagelt auf diesen abgeschmackten "Nachrichten"-Trash. Obwohl Verkaufsvideos, Gerichtssendungen oder, noch besser: Pornos mit nackten Hausfrauen viel besser kämen - gerade zu dieser Sendezeit! Und das würden auch alle verstehen, genau! Also laßt sie raus - die ARD-Tagessau!

Oliver Maria Schmidt




Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg