Inhalt der Printausgabe

Juli 2003


Leo, wir waren in Deinem Dorf!

(Seite 7 von 9)

 
"Der Leo, der hodd a ganz annere Frisur!"
Allmählich macht sich bei uns die Erkenntnis breit, daß diese Fahrerin letztendlich wohl eher bereit wäre, uns einfach stehen zu lassen, als den Glauben an Leo Kirch zu verlieren. Um zumindest einen Hauch von Interesse zu wecken und damit wenigstens etwas Schmutz hängen bleibt, präsentieren wir schnell noch unsere Bilder: "Haben Sie diese Fotos schon einmal gesehen? Erkennen Sie die Tapete wieder? Bitte zeigen Sie die auch Ihren Nachbarn!"

"Glauben Sie wirklich, daß Leo Kirch ein Medienmogul und TV-Tycoon war?" "Ach, s werd doch viel g'red!"

Fasziniert starrt die Frau auf die Fotos, die wir ihr in die Hand drücken: Männer im Garten (mit nackten Frauen), Männer im Anzug (mit nackten Frauen), Männer in Frauenkleidern (mit nackten Frauen). Unnötig zu betonen, daß es sich um hochseriöse Originalaufnahmen aus "Dein Mann das unbekannte Wesen" und "Schulmädchenreport" Teil 1 bis 3 handelt; und daß die männlichen Hauptdarsteller aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes durch einen einmontierten Kirchkopf unkenntlich gemacht wurden. Als Tom Hintner seinen Fotoapparat unauffällig in Position bringt, um die Szene zu dokumentieren, kommt Leben in die Dame: "Ihr hobd mi doch ned haimlich fodografierd?! Ihr schreibts doch main Noma ned?!"
Mit einer Schnelligkeit, die man ihr gar nicht zugetraut hätte, springt sie zur Seite und verdeckt mit beiden Händen das Klingelschild neben dem Eingang. "Main Noma grichd ihr ned, i waiß nix! Machds, dasser foddkummds!" "Schon gut, wir haben Ihren Namen doch noch gar nicht gesehen. Und auch bereits wieder vergessen, Frau Nicola, wir gehen ja schon…"

 
"...ich hob vorne dringsessen und der Leo hindn."

Nämlich zwei Vorgärten weiter, wo wir von einer Endvierzigerin im ärmellosen Streifenkleid neugierig aus der Hängematte beäugt werden. "Gehd des a übern Zaun?" fragt sie, als wir unsere Fragebögen herausholen, und antwortet dann aus dem Schatten der Garage, während wir mit unseren Anzügen in der prallen Sonne fast sterben. Von der Bestechungsaffäre hat sie nach eigenen Angaben schon gehört, auch, daß Leo Kirch den irren Plan hatte, die jeweils letzte Folge einer Serie zu verschlüsseln und nur gegen gutes Geld auszustrahlen. Erstaunlich vertraut ist sie auch mit der Tatsache, daß Kirch ein Steuerbetrüger ist und bei "ran" die Abseitsfalle abschaffen wollte. Daß Kirch jedoch seine Finger im Nacktpornogeschäft haben soll, weist sie zurück: "Naa, des is doch der Thomas Kirch, sai Sohn!"

"Auf die Schulbrote seines Sohnes Thomas soll Leo Kirch Margarine statt Butter getan haben. Und statt Super Diesel getankt, obwohl er einen Benz fuhr. Kann man dadurch so unermeßlich reich werden?" "Wenn er so sporsam wor, nacherd weiß i a ned."

Dann sei uns einiges klar, entgegnen wir, und daß der saubere Kirch jr. dann vermutlich auch für die Fotos von seinem Vater verantwortlich sei, die wir ihr leider nicht vorenthalten dürften. Nachdem sie ihre Lesebrille aufgesetzt hat, nimmt die Landfrau mit spitzen Fingern ein Bild nach dem anderen und lugt dabei immer verschämter aus der ungebügelten Wäsche. "Behalten Sie die Bilder und zeigen Sie die herum. Nur damit Sie hier im Dorf Bescheid wissen, falls mal so was auftaucht." Mit dieser Warnung verabschieden wir uns und retten uns vor der Hitze in ein schattiges Wirtshaus namens "Mainschleife".

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg