Inhalt der Printausgabe

Dezember 2003


Humorkritik
(Seite 8 von 10)

Whodunits

Somerset Maugham fuhr also im Zug. Oder nein - ich muß anders anfangen: In Hans Reimanns "Literazzia"-Bänden, die von 1952 bis 1967 Jahr für Jahr erschienen, mache ich hin und wieder gerne blätterblätter. Da finden sich oft niedliche Sächelchen. "Mit schädlichen und unnützen Dingen soll man brechen. Je gründlicher, desto besser", riet der vormalige Weltbühnen-Autor und schimpfte auf alles, was ihm nicht recht erschien. Der Leipziger führte einen jahrzehntelangen Kampf gegen die Formel "aus aller Herren Länder". Es müsse nämlich unbedingt "aus aller Herren Ländern" heißen! Da ließ er gar nichts nach!
Er nahm Stellung gegen die damals moderne Kirchenarchitektur mit den Worten: "Es dürften nicht immer wieder so verdammt moderne Kirchen gebaut werden, in denen ein Gott zu wohnen scheint, der bei schlechtem Wetter einen Duffle-Coat trägt." Einen Band lyriktheoretischer Erwägungen wies er mit den Worten von sich: "Der monologisierende Manifestant prunkt in unangenehmer Beschlagen-, abschreckender Versiert- und schauderhafter Gebildetheit. Wie preisenswert ist dagegen ein Müllschlucker." Er vollführte erhebende Ausfälle gegen den "Analphabeten" Uwe Johnson und fragte: "Man dringt intensiv in André Gide ein. Aber lohnt sichs?" 1964 bemerkte er über Martin Walsers Roman "Halbzeit": "Man hat einen Geschmack von Schreibtischgetüftel im Mund und muß dringend an die frische Luft." Das ist fast vierzig Jahre her, aber das Wasserburger Walser-Klosett rauscht weiter halbjährlich und schwemmt Papier durch die Röhren, wie wenn es eine Art hätte. In Nummer 8 der "Literazzia" überliefert Reimann folgende Geschichte über die Herstellung von Prosa. Sie stammt aus England, wo Krimis auch "Whodunits" genannt werden.
Somerset Maugham fuhr nämlich im Zug (also doch). Ihm gegenüber saß ein Lehrer, der ihn für seine Schüler "um das Rezept bat, gute Kurzgeschichten zu schreiben" . Maugham: "Eine gute Kurzgeschichte muß viererlei enthalten - Religion, das haben die Leute gern - Society, Adel zieht immer - Sex, wenn der fehlt, fangen die Leser gar nicht erst an - und Spannung." Der Lehrer soll sich schön bedankt und die Maughamsche Formel der Klasse mitgeteilt haben. Als er danach Kurzgeschichten verfertigen läßt, ist ein Schüler nach fünf Minuten fertig. Er darf seine Arbeit vorlesen. Sie dauert drei Sekunden. "›Mein Gott‹, sagte die Gräfin. ›Ich bin schwanger. Who done it?‹" Eine Kurzgeschichte, die man sich merken sollte.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt