Inhalt der Printausgabe

Dezember 2003


Humorkritik
(Seite 7 von 10)

Lachen mit Laibach

Das war schon recht zum Ärgern, als ich jüngst einem Konzert der slowenischen Düsterkapelle Laibach beiwohnte. An gutgemeinten Ratschlägen hatte es vorher kaum gefehlt, wg. Faschismusverdacht et cetera, Sie wissen vielleicht. Aber was ich da geboten bekam, war nur eitel dröge. Das Bühnengebaren der Akteure torkelte zwischen koketter Hilflosigkeit (Bassist) und stümperigster Exaltation (Keyboarder) - und der "Sänger" war nach spätestens drei Songs kaum mehr zu ertragen. Nicht wegen seiner grollenden Stimme, sondern weil er das eigene Pathos ständig durch linkisches Gehüpfe ad absurdum führte. Nach zwanzig Jahren schleift sich die komische Wirkung tanzmarschierender Praxis plus semidämonischem Schabernack doch gründlich ab.
Was war das früher, zum Beispiel auf dem Album "Opus Dei" (1987), wenigstens hin und wieder für ein Spaß: "Es gibt ein Leben vor dem Tod / nein nein nein / ja ja ja / Es gibt ein Leben vor dem Tod. // … Wir geh'n zusammen und das wird wahr." Wunderbar! Oder die Eins-zu-eins-Übersetzung von Queens "One Vision": "Nicht falsch, nicht recht / ich sag' es dir: das Schwarz / und Weiß ist kein Beweis. / Nicht Tod, nicht Not / wir brauchen bloß / ein Leitbild für die Welt. // … Ein Fleisch, ein Blut / ein wahrer Glaube. / Eine Rasse und ein Traum / ein starker Wille // … Nicht Neid, nicht Streit. Nur die Begeisterung / die ganze Nacht feiern wir Einigung // … Jawohl. Gebt mir ein Leitbild!" Über den Originaltext der britischen Pomprocker hatte sich meines Wissens keiner mokiert, aber Laibachs wahrhaft satirische Verballhornung wurde dunnemals als faschismusverherrlichend bekräht. Lachen wollte jedenfalls kaum einer.
Auch die einzig mögliche Bloßstellung des Ohrwurms "Life Is Life" der Austrobierzeltdeppen Opus verhallte in den Achtzigern kaum gehört: "Und die Kraft bekommen alle / wir bekommen nur das beste / wenn jedermann auch alles gibt / dann wird auch jeder alles kriegen / Leben heißt Leben! // … heißt das Land erleben."
Aber während des Konzertes dämmerte mir, daß Laibach die neblige Grenze dessen, worüber man lacht und was man lediglich auslacht, längst überschritten haben. Selbst dafür war ich mir dann ein bisserl zu schade.



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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg